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Palast ist eine Nummer zu groß

Drei Monate versuchte der Volkspalast, den Palast der Republik als Haus der Kunst zu etablieren. Doch viele Veranstaltungen und Diskurse waren den Dimensionen des Gebäudes nicht gewachsen

VON ESTHER SLEVOGT

Zweiundachtzig Tage nach seiner Eröffnung als Volkspalast ist der Palast der Republik nun wieder in den Schlaf der Geschichte gesunken. Zwar steht sein Abriss nicht mehr ganz so akut bevor. Das ist aber weniger auf die diversen Volkspalast-Aktivitäten der letzten Wochen als auf einen Ausschreibungsfehler zurückzuführen, weshalb die Ruine eventuell auch im nächsten Jahr wieder bespielt werden kann.

Gedacht ist an eine Trägerschaft des Museumspädagogischen Dienstes, der auch die Lange Nacht der Museen organisiert. Auch Amelie Deuflhard und Matthias Lilienthal haben in groben Zügen schon ein neues Programm vorgestellt. Die LeiterInnen der Sophiensæle und des Hebbels am Ufer, die gemeinsam das Volkspalast-Programm koordinierten, sehen sich als unabhängige Macher, die sich keinem Dienst unterstellen wollen, auch keinem museumspädagogischen. Zudem existiert die Drohung von Udo Lindenberg, noch einmal im Palast aufzutreten.

Im Augenblick tobt der Ost-West-Kulturkampf, der sich am Anfang des Volkspalast-Festivals ja auch noch am Palast der Republik abgearbeitet hat, allerdings an anderen Fronten. Und hinter den Kulissen gibt es ein nicht unerhebliches Kompetenzgerangel zwischen Kultursenator und Oberfinanzdirektion. Die will als Verwalter des Gebäudes mit einer Zwischennutzung auch dessen Unterhaltskosten von jährlich knapp 200.000 Euro einspielen. Der Senator unterstützt eher den bisherigen symbolischen Zahlungsmodus von monatlich 5.000 Euro.

Mit der Abschlussperformance am Dienstagabend war es dann wie mit den meisten Veranstaltungen der letzten Wochen im Volkspalast. Die Ankündigung klang spektakulär: „Die ausgenommene Arbeiter-und-Bauern-Gans wird ein letztes Mal hübsch gemacht“ versprachen norton.commander.productions. Dafür hatten sie zwei Dutzend megawattstarke Supernova-Scheinwerfer installiert, die das Gebäude von innen erst zum Leuchten bringen und dann symbolisch verglühen lassen sollten. Doch als es am 9. November eine Stunde vor Mitternacht nach einem Konzert der St. Petersburger Kultband Leningrad schließlich so weit war, flackerte es nur ein paarmal gewaltig, als gebe es in Erichs Lampenladen einen Wackelkontakt. Suchscheinwerfer illuminierten von innen blockweise die Fenster oder ließen einschlägige Texte aufleuchten. Im leeren Rund, wo einst die DDR-Insignien prangten, verendete als Projektion nach längerem Gezappel eine überlebensgroße Fliege. Auf dem Dach verpuffte noch ein kleines Feuerwerk, das die Erwartungen an das versprochene Spektakel leider auch nicht erfüllte.

Besonders eines haben die letzten Wochen gezeigt: Der Palast der Republik hat ein dickes Fell. In den enormen Ausmaßen des Hauses schrumpfte so manch aufgeplustert angekündigtes Kunstwerk zum Kunstzwerg. Es gab ein paar wenige atmosphärisch funktionierende Projekte wie Sasha Waltz’ Choreografie „Dialoge 04“ oder Ruedi Häusermanns „Richtfest“. Als Haus für die Kunst wollten die Volkspalast-Macher den Ort etablieren. Die Kunst wirkte jedoch meist wie eine Mücke, die einen Elefanten zu stechen versucht. Am besten funktionierte der Palast als Großraumdisko oder Eventlocation. Der Mythos des Ortes hatte sich schon nach kurzer Zeit verbraucht.

Bebte das Feuilleton bundesweit anfangs noch im Fieber der Deutungen dieses spektakulären Ortes, wirtschaftete sich der Ort selbst immer mehr herunter. Tiefpunkt war das Konzert der Einstürzenden Neubauten. Die feist und alt gewordenen Kinder der Kohl-Agonie trafen auf die Gespenster der zur niedlichen Gartenzwergdiktatur verharmlosten DDR. Zu deren Umdeutung zum stacheldrahtumzäunten Langzeitcomic hat übrigens auch die Vorführung von DDR-Propagandafilmen im Palast weiter beigetragen.

Und dann sollte ja auch die Debatte über die Zukunft dieses Ortes wieder angeschoben und der Abriss zugunsten der Schlossrekonstruktion infrage gestellt werden. Ansatzweise ist das gelungen, zumindest für diesen Herbst. Allerdings sind Zweifel angebracht, ob sich die Volkspalastwochen wirklich nachhaltig in die Debatte um die Zukunft dieses Ortes einschreiben können. Mit merkwürdiger Selbstgefälligkeit positionierten sich nämlich Volkspalast-Vordenker wie Philipp Oswalt immer wieder als selbst ernannte gesellschaftliche Avantgarde, deren Visions- und Reflexionshorizont sich aber leider schnell als recht beschränkt erwies.

Als Zukunft des Areals wurde ein machtfreier Raum beschworen, von Konsum ebenso unbehelligt wie von Repräsentationskultur: ein Spielplatz für die freie Szene. Lediglich der scharfzüngige New Yorker Architekturtheoretiker Mark Wigley fand diese Idee genauso romantisch und rückwärts gewandt, wie die staatsgetragene Sehnsucht, das Hohenzollernschloss wieder aufzubauen. Ganz abgesehen davon, dass diese Visionen einen diskret postdemokratischen Charme versprühten und niemandem der Gedanke gekommen ist, dass es machtfreie Räume nur in Gesellschaften geben kann, die von totaler Macht bereits total durchdrungen sind. Insofern war auch so mancher Diskurs den Dimensionen dieses Ortes nicht gewachsen.

Natürlich hatten die Tage und Nächte im Palast schöne Seiten, allerdings meist dann, wenn sich die Veranstaltungen selbst genügten oder man sich ihre aufgepfropfte Bedeutung problemlos wegdenken konnte. Gern fuhr man im Schlauchboot durch die Fassadenrepublik und bemühte sich redlich, die angestrengten Versuche, das kindische Vergnügung mit Sinn aufzuladen, zu umschiffen. Angenehm waren die langen WMF-Nächte, in denen sich die nihilistische Grandezza des Palasts mit guter Musik zu einem ziemlich zeitgemäßen Vergnügen verband. Manchmal dachte man dann, dass es sich bei dieser spät entbrannten Liebe all dieser ambitionierten Westler für den Palast der Republik auch um ausgleichende Gerechtigkeit handeln könnte. 1990 wählte die DDR die D-Mark und Helmut Kohl. Jetzt wollen Westler Honeckers Palast als Symbol der deutschen Hauptstadt erhalten.

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