zwangsverheiratung: Dimension noch nicht begriffen
Noch gibt es sie nicht, die offiziellen Zahlen und Statistiken. Denn es wollte keiner wissen, wie viele zwangsverheiratete Mädchen und Frauen es gibt – weder in Deutschland noch in Berlin. Dabei ist diese spezifische Ausprägung von Gewalt gegen Frauen ein weit verbreitetes Phänomen, glaubt man Experten. Bisher wurde wenig wahrgenommen, dass junge Frauen, die in Berlin geboren und aufgewachsen sind, zum Heiraten von den eigenen Eltern in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Oder, im umgekehrten Fall, den Cousin oder den Onkel aus ebendiesem fernen Land ehelichen müssen. Die Betroffenen stießen bislang auf eine Mauer des Schweigens: in den eigenen Familien sowieso und auch in der deutschen Gesellschaft, die sich mit der heiklen „Tradition“ anderer Völker nicht belasten wollte.
KOMMENTAR VON SUSANNE AMANN
Dabei fragt man sich schon, warum gerade das Phänomen der Zwangsheirat bisher so absolut ignoriert worden ist. Ausgerechnet in einer Stadt wie Berlin, in der bekanntermaßen besonders viele Migranten leben. In der Parallelgesellschaften entstanden sind, die – findet man nicht neue Formen der Integrationsarbeit – zu massiven sozialen Problemen führen werden.
Die Antwort ist klar: Weil es nicht nur um Gewalt gegen Migrantinnen geht, sondern auch um Bildung und eben Integration derselben. Je selbstständiger eine junge Frau ist, desto eher schafft sie es, sich gegen patriarchalische Strukturen im Elternhaus zu wehren. Dabei geht es auch – wie immer – um Geld: Je mehr Sozialarbeiterinnen in Schulen arbeiten, desto eher gelingt die Ansprache von Betroffenen. Dass das Problem zunehmend wahrgenommen wird, liegt an der deutschlandweiten Aktion von Terre des Femmes, der Frauenrechtsorganisation aus Tübingen. Berlins Politiker dagegen haben die Dimension des Problems noch lange nicht begriffen.
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