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Gelder kürzen, Image aufpolieren

Während die Nürnberger Bundesanstalt bei den Arbeitslosen Milliardenbeträge spart, gerät Behördenchef Gerster jetzt wegen relativ kleiner Summen für Öffentlichkeitsarbeit in die Kritik. Ministerium kann „im Moment“ kein Fehlverhalten sehen

von BARBARA DRIBBUSCH

Im „Senfsalon“ verkauft die Berlinerin Merit Schambach ausgefallene Senfsorten. Mit dem „Gassi-Service“ bietet Karl-Heinz Gerrmann Hundehaltern eine neue Dienstleistung an. Schambach und Gerrmann werden als Ich-AG vom Arbeitsamt gefördert – und neuerdings in Kinospots stolz präsentiert. Sie sollen Joblosen Mut machen: Seht her, so geht’s!

Doch jetzt ist die Öffentlichkeitsarbeit der Arbeitsämter heftig in die Kritik geraten. Während die Bundesanstalt für Arbeit (BA) bei Arbeitslosen, ABM-Stellen und Weiterbildung munter kürzt, baut Behördenchef Florian Gerster die PR-Aktivitäten weiter aus – und das kostet.

Die Berliner Marketingfirma WMP EuroCom bekam jetzt einen Beratervertrag in Höhe von insgesamt 1,3 Millionen Euro, um die Kommunikationsarbeit in der BA neu zu strukturieren. Außerdem soll sich der Etat der BA für Öffentlichkeitsarbeit von 20 Millionen Euro im Jahr 2003 auf 42 Millionen Euro im kommenden Jahr verdoppeln. Von diesen 42 Millionen sind allein 25 Millionen für Marketingaktivitäten vorgesehen.

Diese 25 Millionen Euro wurden jetzt vom BA-Verwaltungsrat fürs Erste gesperrt. Die Gewerkschaften wollten eine Reduzierung dieses Etats erreichen, erklärte DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer, die dem Gremium angehört. Die bisher vorgelegten Konzepte der WMP-Berater seien zudem „dürftig“ gewesen, kritisierte die Gewerkschafterin.

Außerdem bekämen schon andere Unternehmensberatungen erhebliche Summen. Für Beratungstätigkeiten zum geplanten Umbau der Bundesanstalt zu einer „Bundesagentur für Arbeit“ kassieren Consultingfirmen in diesem Jahr 32 Millionen und im nächsten Jahr 40 Millionen Euro. Unter anderem ist die Firma McKinsey an der Umstrukturierung beteiligt.

Aus der BA verlautete gestern, man brauche den hohen Marketingetat, um der Bevölkerung die Hartz-Gesetze und den Umbau der Behörde nahe zu bringen. Die Bundesanstalt trat auch Medienberichten entgegen, wonach BA-Chef Florian Gerster persönlich mit dem WMP-Vorstand Bernd Schiphorst den Beratervertrag über 1,3 Millionen Euro abgeschlossen hatte. Es handele sich dabei um einen Vertrag mit der WMP, nicht mit Schiphorst persönlich. Wie hoch die WMP Schiphorsts Leistungen vergütet, konnte die BA aber nicht sagen.

Auf die Frage, warum der Auftrag an die Beraterfirma nicht zuvor öffentlich ausgeschrieben worden sei, sondern direkt an die WMP ging, hieß es bei der Bundesanstalt, man habe dabei von Ausnahmetatbeständen Gebrauch gemacht. Wenn eine „kurzfristige Notwendigkeit“ bestehe oder „kreative Leistungen“ gefragt seien, müsse man Aufträge wie diesen nicht öffentlich ausschreiben. Die WMP EuroCom entstand Anfang 2000 aus der Fusion zweier Beratungsfirmen der ehemaligen Bild-Chefredakteure Hans-Hermann Tiedje und Hans-Erich Bilges.

Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Hermann-Josef Arentz, forderte gestern den zuständigen Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Arbeit dazu auf, sich umgehend mit Gersters drastisch gestiegenen Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit zu befassen. Eine Spreche- rin des Bundesarbeitsministeriums erklärte hingegen, es gebe „keine Anhaltspunkte“, Florian Gerster „im Moment“ zu kritisieren.

Den Joblosen nützt der Streit allerdings gar nichts. Vor wenigen Tagen wurde gegen die Stimmen der Arbeitnehmerseite der Haushalt der BA für das kommende Jahr verabschiedet. Danach sinken die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Weiterbildung um rund 1,4 Milliarden Euro. Damit stehen 2004 nur noch 20 Milliarden Euro für aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung.

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