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BERLINER PLATTENSo klingt Berlin: schön wintertrüb, nach Hinterhof und manchmal sogar noch nach Mauerstadt (die dann aber doch aus der Fremde gehört werden muss)

In den Siebzigerjahren kamen David Bowie und Iggy Pop und Lou Reed und nahmen kaputte Alben auf. Später buchten dann Depeche Mode oder auch U2 die Hansa-Studios, blickten seufzend auf die Mauer und waren in Stimmung für mies gelaunte Musik. Seit einigen Jahren kommen nun schon die DJs und Produzenten, aber die knüpften bislang an eher andere Traditionslinien wie die ausgelassene Feierstimmung des Nachwende-Berlins an.

Die 26-jährige Isländerin Hildur Guđnadóttir, einigermaßen bekannt durch Zuarbeiten für múm oder Pan Sonic, besinnt sich, so könnte man ihre elegischen Kompositionen interpretieren, auf die düstere Vergangenheit einer isolierten Stadt. Ihr zweites Album „Without Sinking“ klingt, als wäre es in einem dieser schönen grauen Hauptstadtwinter entstanden, der noch jeden Neuankömmling hat wünschen lassen, sein Heimatdorf niemals verlassen zu haben. Tatsächlich wurde „Without Sinking“ aufgenommen im Berliner Sommer 2008: Der aber war ja auch reichlich verregnet, und nun durchschreitet das Cello von Guđnadóttir schier unendliche Weiten, hin und wieder mischt sich eine quengelnde Zither ein, oder es flattert ein bisserl Elektronik vorbei. Es ist ein sentimentaler Ausflug durch eine selbst verordnete und deshalb kaum bedrohliche Einsamkeit, die ein paar wenige Gastmusikanten auflockern, ohne allerdings die strenge Egozentrik brechen zu können.

Tatsächlich im Winter, und zwar dem von 2006 auf 2007, entstand „Berlin Backyards“ von Gilles Aubry. Der seit sieben Jahren in Berlin lebende Schweizer nahm, wie der Albumtitel es ja schon verspricht, die akustische Atmosphäre von Hinterhöfen auf und formte daraus Tracks, die eher Hörspiel als Musik sind. Meist bestimmt vom steten Hintergrundrauschen des Straßenverkehrs, schälen sich oft erst nach schier endlosen Minuten voller Monotonie einzelne Geräusche heraus, die sich dann langsam zu so etwas wie einer Erzählung fügen. Mit diesem Stück musique concrete bringt Aubry nun zwar nicht gerade die Architektur zum Tanzen, aber lässt doch, so sieht er es jedenfalls selbst, die Gebäude singen. Erstaunlich ist vor allem zu hören, welch einengende, fast schon klaustrophobische Stimmung so ein echter Berliner Hinterhof zu entfalten in der Lage ist.

Zurück in die seligen Achtziger führt uns dagegen das Dex Romweber Duo. Die Garagenrock-Legende John Michael Dexter Romweber, der als großes Vorbild der White Stripes gilt, reaktiviert im Verbund mit seiner Schwester Sara am Schlagzeug von North Carolina aus ein längst zu Grabe getragenes Fantasiebild der nicht mehr existierenden Mauerstadt: „Ruins of Berlin“ hat er sein neues Album genannt und erklärt im Titelsong seine Liebe zu diesen Ruinen. Schlussendlich kann man sich, während man dem auf seinen rüden Kern reduzierten Rock ’n’ Roll des Duos lauscht, sehr gut vorstellen, wie (West-)Berlin einmal war, als hier noch nicht der von Tobias Rapp diagnostizierte Easy-Jetset einfiel, sondern nur schwarz gewandete Rockmucker, die auf der Suche waren nach billigem Heroin und dem morbiden Charme der Mauerstadt. THOMAS WINKLER

Hildur Guđnadóttir: „Without Sinking“ (Touch/Cargo)

Gilles Aubry: „Berlin Backyards“ (Crónica/A-Musik)

Dex Romweber Duo: „Ruins of Berlin“ (Bloodshot/Indigo)

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