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Schmierenkomödie bei der Labour Party

SMEARGATE Mit perfiden Unterstellungen versucht der Berater des britischen Premiers, Damian McBride, Tory-Politiker in schlechtes Licht zu rücken. Nach seinem Rücktritt entschuldigt sich auch Regierungschef Brown

VON RALF SOTSCHECK

Die Tories können sich zurücklehnen. Die britische Labour Party hat wieder bewiesen, dass niemand sie so gut besiegen kann, wie sie sich selbst. Von „Smeargate“, wie das neueste Fiasko getauft wurde, wird sich die Regierungspartei nicht so schnell erholen – wenn überhaupt.

„Smears“ sind Verleumdungen. Mit deren Hilfe wollte Premier Gordon Browns Berater Damian McBride verlorenen Boden auf die Tories gutmachen. In zwei E-Mails an den Labour-Blogger Derek Draper schlug McBride seine Strategie vor: Dem Tory-Chef David Cameron wollte er eine Geschlechtskrankheit andichten. Von Cameron müsse verlangt werden, seine „gesamten finanziellen und medizinischen Unterlagen“ zu veröffentlichen, schrieb McBride. Zudem wollte er ein Foto von Dr. Christian Jessen dazustellen. Der tritt als Experte in der Channel-4-Serie „Peinliche Körper“ auf.

Über den Schatzkanzler im Tory-Schattenkabinett, George Osborne, der vor 16 Jahren mit einer Prostituierten fotografiert worden war, wollte McBride verbreiten, dass ein Video existiere, auf dem Osborne Sex mit dieser Prostituierten habe und Drogen mit ihr konsumiere. Weiter sollte behauptet werden, dass noch viel kompromittierendere Fotos existierten: „Osborne in Büstenhalter, Damenschlüpfer und Strapsen, mit schwarz geschminktem Gesicht“.

Draper war von der Idee begeistert. „Ich denke über das Timing nach und kümmere mich noch diese Woche um die Technik“, schrieb er zurück.

Die E-Mails, die McBride von seiner offiziellen Downing-Street-Mailadresse geschickt hatte, sind wohl von einem Hacker abgefangen und einem Tory-Blogger zugespielt worden. Der gab sie an die Presse weiter – „Smeargate“ war geboren.

McBride entschuldigte sich und trat zurück. Damit sei klar, dass für die „Verbreitung solchen Materials“ kein Platz in der Politik sei, sagte Browns Pressesprecher. Damit war die Sache nicht erledigt. Brown war vor knapp zwei Jahren mit dem Versprechen angetreten, die Partei zu erneuern, so wie Blair in den Neunzigerjahren, bis Labour in der rechten Mitte angekommen war und gewählt wurde. „Spin“ – die Kunst, Nachrichten einen regierungsfreundlichen Dreh zu geben, sollte der Vergangenheit angehören. Und dann das.

Ausgerechnet aus Blairs Lager kam nun scharfe Kritik, allen voran von drei Exministern. Die Labour Party sei schwer beschädigt worden, sagte Alan Milburn. Frank Field. „McBride glaubte wohl, er handle im Sinne seines Herrn.“ Stephen Byers sagte: „Der Charakter des Premiers hat zwei Seiten: die zivilisierte, großzügige und gut informierte Seite. Und die andere, die Menschen kontrollieren will. Es ist erstaunlich, dass jemand, der so viel Wert auf Kontrolle legt, nicht mal seine eigene Amtsstube in der Downing Street kontrolliert.“

Der Waffenstillstand zwischen Blairs und Browns Leuten scheint vorbeizusein. Brown weigerte sich tagelang, sich bei den betroffenen Tories zu entschuldigen. Er habe ja nichts gewusst und von der leidigen Angelegenheit erst aus der Presse erfahren. Ende voriger Woche entschuldigte er sich dann doch. Es tue ihm leid, und er übernehme die volle Verantwortung, sagte er: „Ich habe die ganze Zeit gesagt, dass ich entsetzt, schockiert und sehr wütend war, als ich zum ersten Mal davon hörte. Das Wichtigste ist nun, die Menschen zu überzeugen, dass alles unternommen wird, um die Politik in diesem Land zu säubern.“

Da wird viel Überzeugungsarbeit notwendig sein. Kürzlich war Innenministerin Jacqui Smith in die Schlagzeilen geraten, weil sie Pornos, die sich ihr Mann im Pay-TV angeschaut hatte, über Spesen abgerechnet hatte. Brown sagte, man müsse sich wieder Wichtigerem zuwenden: „Ich arbeite Tag und Nacht, damit sich Großbritannien von der Rezession erholt“, sagte er. Labour wird sich bis zu den Wahlen, die spätestens im Frühjahr 2010 stattfinden müssen, nicht von „Smeargate“ erholen. Die Tories können sich ungeniert benehmen, da die Wähler bei Verfehlungsvorwürfen künftig skeptisch sein werden. Weite Teile Labours geben Brown die Schuld an dem Debakel. Viele Freunde haben ihn vor McBride gewarnt: Er sei eine tickende Zeitbombe. Nun ist sie explodiert.

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