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Applaus von der falschen Seite

Erneut demonstrieren rund 15.000 Studierende gegen Kürzungen und Gebühren an den Unis – und für eine Vermögensteuer. Wowereit zeigt Verständnis und verkehrt Streikforderungen in ihr Gegenteil

VON GEREON ASMUTH

Die Prostete der Studierenden gegen die Sparvorgaben an den Unis nötigen die Politiker zu zögerlichen Solidaritätserklärungen. Am Samstag demonstrierten erneut rund 15.000 Studierende auf einem Marsch vom Brandenburger Tor zum Roten Rathaus. Die Veranstalter zählten gar bis zu 20.000 Teilnehmer.

Unterdessen beeilen sich die Politiker, Verständnis für die anhaltenden Proteste zu zeigen – so etwa Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS). Der Protest, so Flierl, komme allerdings um „einige Monate zu spät“. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bezeichnete die Demonstrationen als „legitimes Mittel“. Er sehe darin einen bundesweiten Auftrag an die Politik, Reformen im Bildungsbereich durchzusetzen. Dazu gehören seiner Meinung nach aber auch die Verkürzung von Schul- und Studienzeiten sowie die Einführung von Gebühren für ein Erststudium. Damit stellt er die Forderungen der Studierenden auf den Kopf. Nachgeben will er ihnen auf keinen Fall, sonst „sind wir bei der Politik à la Diepgen – sich verschulden und auf Hilfe von außen hoffen“.

Eberhard Diepgen (CDU), einst Asta-Vorsitzender der FU und später auch mal Regierender Bürgermeister, warnte indes davor, die Proteste zu unterschätzen. Er halte die Forderungen der Studierenden für prinzipell gerechtfertigt.

Auf der Abschlusskundgebung der Studierenden verwahrten sie sich gegen solche Art der Vereinnahmung durch die Opposition und Koalition. Ins Zentrum ihrer Forderungen stellten mehrere Sprecher als Alternative zur Sparpolitik die Einführung einer Vermögensteuer auf Bundesebene: „Es gibt kein Sparproblem, sondern ein Einnahmeproblem“, hieß es.

Ähnlich argumentierte unter dem Jubel der Studierenden der Landesvize des DGB, Bernd Rissmann: „Lasst euch nichts vormachen, Geld ist genug da. Es ist nur falsch verteilt.“ Die geplanten Einsparungen an den Unis bezeichnete er als unverantwortlich. „Der Berliner Senat ist nach unserer festen Überzeugung von allen guten Geistern verlassen“, so Rissmann. Der nahezu flächendeckende Numerus clausus an den Berliner Unis sei ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Bildung. „Daher haben wir alle ein Recht auf Widerstand.“ Arbeitnehmer, Studierende, Auszubildende und Schüler sollten sich nun zu einer Bildungsoffensive zusammenschließen.

Zumindest Vertreter des Landeschülerrats kündigten für die kommende Woche eine Unterstützung der Proteste an. Fast peinlich berührt schienen dagegen Sprecher der Astas der Universität der Künste (UDK) und der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW), weil ihre Kommilitonen sich noch nicht im Ausstand befinden. Zumindest die UDK, so hoffte ein Asta-Sprecher, werde sich in den kommenden Tagen dem seit dreieinhalb Wochen laufenden Unistreik anschließen. Am nächsten Samstag werde die Demo noch größer werden, verkündete derweil lauthals ein Sprecher des Streikrats der TU. Dann würden auch die Gewerkschaften mitdemonstrieren. Zudem schlug er ein Volksbegehren für den Erhalt der Studienplätze vor.

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