Museum für Kunst und Gewerbe präsentiert die Dokumentarfotografie-Stipendiatin Gabi Steinhauser: Holzbretter wie Mikadostäbe
„Also, ich dachte ja, die sind hier noch am Aufräumen. Mit dem Farbeimer und so.“ Der Museumsangestellte lacht, die zwei älteren Damen im Schlepptau linsen misstrauisch in den Raum. „Aber als ich das nächste Mal hier reinkam und immer noch alles genauso aussah, war klar: Das soll so sein.“ Die Besucherinnen wagen sich jetzt ein, zwei Schritte vor. Skeptische Blicke. „Kunst. Na ja“, sagt die eine. Dann gehen sie wieder hinaus.
Einladend sieht Gabi Steinhausers Installation aus Einrichtungsfragmenten und Fotografien im Museum für Kunst und Gewerbe tatsächlich nicht aus. Ausrangierte Möbelstücke aus Spanplatten und Pressholz, aus Kiefer und Nussbaumimitat hat die Künstlerin zu einem Büro-Friedhof arrangiert. Und an den Wänden hängen die zweidimensionalen Spuren vergangener Arbeitswelten: 46 Farbfotografien von verlassenen, überlebten Dingen in öffentlichen Außen- und Innenräumen, angeordnet in drei Sequenzen.
Der Ausstellungstitel passt zu den sperrigen Motiven: Stipendium Dokumentarfotografie der Patriotischen Gesellschaft von 1765 in Zusammenarbeit mit der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Die 1967 geborene Künstlerin Gabi Steinhauser, bis 1999 Studentin an der HfBK, hat das mit 5.000 Euro dotierte Stipendium 2001 erhalten und zeigt nun ihre Abschlussarbeit im Forum Fotografie des Museums. Außer dem Museumswärter und den zwei skeptischen Damen verirrt sich viele Minuten kein Besucher in den Sperrholzmöbelraum, der zunächst an eine Abstellkammer erinnert. Und anheimelnd ist es hier drin nun wirklich nicht. Es riecht komisch, nein: Es stinkt. Vielleicht dünstet der mit Farbresten verklebte Eimer in der hinteren Ecke noch seine letzten Lebensspuren aus. Es sieht auch gar nicht gemütlich aus. Kein Platz zum Sitzen. Selbst der gräuliche, wohl ehemals weiße Kunstlederdrehsessel sinkt beim Hineinsetzen zu Boden.
15 Sachverhalte im Raum nennt Steinhauser diese Objekte. Alle haben Gebrauchsspuren wie Kratzer oder Flecken und erzählen von Menschen, die sie jahrelang benutzt haben und irgendwann nicht mehr benutzen wollten. Vielleicht, weil modernere Büromöbel angeschafft wurden, vielleicht, weil der Betrieb geschlossen wurde. Die Hintergründe kann man nur erahnen, Steinhauser lässt die Dinge für sich sprechen. Auf einem Schreibtisch liegt eine voll gekritzelte Schreibunterlage. Krakelige Kulischleifen künden von ermüdenden Telefongesprächen. Bei vielen Möbelstücken lässt sich selbst deren ehemalige Funktion nur erahnen: Auf einem leeren Regal prangt das Schild „AEG“. Diente das Möbel früher zur Präsentation von Broschüren und Informationsmaterial im Besprechungszimmer?
Andere Objekte, wie gesplitterte Holzstücke, sind nur noch Fragmente. Steinhauser ordnet diese Fragmente nicht zu neuen Arrangements, sie haucht ihnen auch kein neues Leben ein. Wie Grabsteine halten sie gebührenden Abstand zueinander.
Überhaupt ist ihr Umgang mit den funktionslosen Objekten sehr respektvoll. Sogar Anflüge von Schönheit entfalten ihre Motive auf den Fotos, die sie mit einer Kleinbildkamera aufgenommen hat. Da glitzern im Sonnenlicht grüne Entrümpelungsröhren wie fette Raupen, da sind Holzbretter wie in einem Mikadospiel übereinander geschichtet. Einfach schön. Die Schönheit ist den Dingen aber nicht inhärent, sie ist entstanden durch einen gelungenen Bildausschnitt, durch den passenden Lichteinfall. Eben durch Kunst. KARIN LIEBE
Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr; Museum für Kunst und Gewerbe, bis 25.1.2004
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