: Bayerische Richter wollen‘s wissen
Verwaltungsgerichtshof setzt Verhandlung zu drei geplanten Atommüll-Zwischenlagern aus und so die Bundesregierung unter Druck: Ohne die bislang geheim gehaltenen Untersuchungen zu den Gefahren terroristischer Angriffe sei kein Urteil möglich
AUS GUNDREMMINGEN KLAUS WITTMANN
Es geht um die Genehmigung von drei bayerischen Atomzwischenlagern. Und um ein Gutachten zu möglichen Anschlägen auf Atomanlagen, das die Bundesregierung geheim hält. Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) haben jetzt alle Termine zur weiteren Verhandlung abgesagt. Ohne diese Unterlagen, so ihr Argument, sei die Sicherheit der geplanten Anlagen nicht einschätzbar.
Die Entscheidung des VGH hat bei den Klägern für Genugtuung gesorgt. Die nämlich bezweifeln, dass die süddeutschen Lagerhallen mit weitaus dünneren Wänden als die norddeutschen einen Beschuss mit panzerbrechenden Waffen aushalten. Außerdem bezweifeln sie, dass in den Zwischenlagern abgestellte Castoren jenen Temperaturen standhalten würden, die beim Absturz eines Flugzeuges entstehen. Sowohl gegen das geplante Atomzwischenlager in Grafenrheinfeld als auch gegen die in Ohu und Gundremmingen hatten sie Klagen eingereicht.
Kurz nach Beginn der ersten von drei Verhandlungen hob der VGH die weiteren Termine kurzerhand auf. Der Vorsitzende Richter befand, es sei dem Gericht kaum möglich, die Bedenken der Kläger hinsichtlich eines Terroranschlags zu bewerten, wenn die Beklagte einen Großteil der Unterlagen nicht vorlegt. Beklagt ist die Bundesregierung – vertreten durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Mit dem pauschalen Verweis auf Geheimhaltungspflicht will sich der Verwaltungsgerichtshof jedochnicht zufrieden geben.
„Das Gericht will sich nicht mit den Behauptungen des Bundesamtes für Strahlenschutz zufrieden geben, dass Atommülllager vor Terror sicher seien. Das ist ein wichtiger Schritt“, urteilt Arzt Reinhold Thiel von der Ulmer Ärzteinitiative. Und für Raimund Kamm, Sprecher der Bürgerinitiative „Gemeinsam gegen das Zwischenlager“ in Augsburg, meint: „Ganz offensichtlich hat das Gericht die Tiefe der vorgetragenen Argumente beeindruckt“. Anders als früher würde ein terroristischer Anschlag mit einer verheerenden Freisetzung von Radioaktivität nicht mehr für realitätsfern gehalten.
Tatsächlich sieht Forum-Sprecher Kamm das Problem im Umgang mit den brisanten Informationen. „Wir sind nicht prinzipiell dagegen, dass bestimmte Daten geheim gehalten werden. Wir sind aber dagegen, dass man kritische Nachfragen und sogar eine Gerichtsentscheidung dadurch blockiert, dass man pauschal auf eine Geheimhaltung verweist“, sagte Kamm der taz.
„Wir sind grundsätzlich um größtmögliche Offenheit bemüht“, erklärt Volker Schäfer, Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz. Schließlich habe BfS-Präsident Wolfram König darauf gedrängt, dass bei der Beantragung eines Zwischenlagers auch die Folgen eines vorsätzlich herbeigeführten Flugzeugabsturzes bedacht werden – gegen den Widerstand der Atomkonzerne. Schäfer: „Im vorliegenden Fall muss man jedoch befürchten, dass Terroristen im Falle der Veröffentlichung sensibler Daten ihre Angriffe optimieren können.“ Daher seien die Unterlagen geheim eingestuft und nicht vorgelegt worden.
Bis April nächsten Jahres ist die Verhandlung nun unterbrochen. Die Richter des 22. Senats forderten das BfS auf, die Geheimunterlagen in Gänze oder zumindest in Teilen nachzuliefern. Das setzt das Bundesamt unter einen gewissen Druck: Das Beispiel der Münchner Kammer könnte an anderen Zwischenlager-Standorten Schule machen. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) braucht diese Lager aber als Baustein seiner Atompolitik – weg von Transporten ins zentrale Zwischenlager Gorleben, bis endlich ein nationales Endlager den Strahlenmüll aufnehmen kann.
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