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Mit Salz zum Nobelpreis

Die Technische Uni Harburg möchte Kinder für Chemie begeistern und setzt dabei auf die Lust am Experimentieren. Projekt „Salz ganz nah“ bietet Versuche zum Nachmachen in Kitas an

Von EVA WEIKERT

Astrid Mutzel hat einen Traum. Mit aus Kochsalz gezüchteten Kristallen will die Naturwissenschaftlerin an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TU) die Chemiekunde in Hamburgs Kindertagesstätten etablieren und die Jüngsten für Stoffe und deren Eigenschaften, kurzum für die unbelebte Natur, begeistern. „Die Chemie ist in Kitas verpönt, weil sie als nicht kindgerecht gilt“, bedauert Mutzel. „Ein Vorurteil.“ Um das zu widerlegen, hat die promovierte Biologin das Projekt „Salz ganz nah“ ins Leben gerufen.

Im Mittelpunkt steht dabei ein Experiment, bei dem Kinder mit Hilfe von Wasser, Wollfäden und Farben einfaches Kochsalz in bunte Kristallwürfel verwandeln. Seit Oktober hat die TU das Päckchen aus Papptafeln, die den Versuch anleiten, an rund 1.000 Kitas in der Stadt verschickt. Über das Experimentieren sollen den Lütten elementare Phänomene der Natur wie die Kristallisation eines Stoffes oder der Vorgang des Lösens nahe gebracht werden. Für Ingenieure etwa gehört es zum täglich Brot, Verfahren zum Lösen eines Stoffes oder zur Kristallisation zu finden oder zu optimieren. Mutzel, selbst Mutter einer sechsjährigen Tochter, meint: „Das Vorschulalter ist der richtige Zeitpunkt, Kinder mit diesem Phänomen vertraut zu machen, und das Experiment ein prima Mittel, es sinnlich zu erfahren.“

Auf den neun Tafeln, die ein TU-Team um Mutzel konzipierte, ist der Versuch Schritt für Schritt mit Fotos, bunten Zeichnungen und Texten erklärt. Das Material, das der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft bezahlt hat, soll auch Erziehern helfen, die Naturerforschung in den Kita-Alltag zu integrieren. „Wichtig ist dabei, dass die Kinder selbst tätig werden“, betont Mutzel.

Fernziel der TU sind nicht etwa mehr Studienbewerber. „Wir sind zu 130 Prozent ausgelastet“, sagt die Uni-Mitarbeiterin. „Was wir wollen, sind besser ausgebildete Studienanfänger.“ Studien würden belegen, dass sich 70 Prozent der späteren Chemiestudierenden bereits von Kindesbeinen an für die Eigenschaften von Stoffen interessieren. „Wir wollen die Kleinen nicht wie Erwachsene behandeln“, betont Mutzel. „Aber große Intelligenzleistungen sind schon in jungen Jahren möglich.“

Dieser Meinung ist auch Hedi Colberg-Schrader. Sie ist im Vorstand der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten für pädagogische Angelegenheiten verantwortlich und hat alle deren Einrichtungen mit Mutzels Versuchsanleitung versorgt. „In der Regel sind Kinder im Bereich Naturwissenschaften unterfordert“, berichtet sie. „Die kapieren sehr viel mehr, als man ihnen gemeinhin zutraut.“ Faktenpauken bringe bei den Kleinsten jedoch gar nichts, mahnt Colberg-Schrader. „Kinder lernen über ihre Erlebnisse.“

Infos unter ☎ 428 78 38 75

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