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offene ganztagsschuleBilligvariante

Es ist ja wahr: Wir brauchen mehr Kita-Plätze für Schulkinder. Nicht einmal fünf Prozent kommen derzeit im NRW im Hort oder anderen Einrichtungen unter, die Wartelisten sind lang und viele Eltern verzweifelt. Dass aber die derzeit favorisierte „Offene Ganztagsschule“ die richtige Lösung ist, darf getrost bezweifelt werden. In ländlichen Gegenden, wo es bislang zum Teil gar nichts gibt, ist sie zwar ein Fortschritt. Für Städte wie Köln, die bereits gut funktionierende Einrichtungen haben, bedeutet das neue Modell jedoch eindeutig eine Verschlechterung.

KOMMENTAR VON SUSANNE GANNOTT

Zunächst bei der Qualität der Betreuung: Mit dem wenigen Personal, dass für die Offenen Ganztagsschulen vorgesehen ist – und das noch dazu großenteils aus pädagogischen Laien bestehen soll – kann sie gar nicht so gut sein wie im Hort. Und dann: Das neue Modell ist auch sozial unausgewogen. Statt wie bisher nach Einkommen gestaffelt, zahlen alle Eltern denselben Beitrag, lediglich Sozialhilfeempfänger und Eltern, die drei Kinder (!) gleichzeitig in der Einrichtung haben, bekommen Rabatt. Auch die Ferienbetreuung ist nicht zwangsläufig gesichert: Die Schulen können zwar „bei Bedarf“ offen bleiben, das kostet aber auf jeden Fall extra.

Noch bedenklicher ist, dass die Eltern für die Nachmittagsangebote der Ganztagsgrundschulen teilweise saftige Beiträge zahlen sollen. Zu der seit Pisa immer wieder geforderten Chancengleichheit bei der Bildung wird das nicht führen, im Gegenteil: Gutsituierte Bürgerkinder werden sich bei Klavier-, Sport- und Computerkursen auf die Leistungsgesellschaft vorbereiten, die weniger Begünstigten auf dem Schulhof abhängen.

Und auch für den Arbeitsmarkt sind die Aussichten nicht rosig: Tausende gut ausgebildete Erzieher und Pädagogen werdendemnächst stempeln gehen – ersetzt von „qualifizierten“ Müttern und Großmüttern. Das ist natürlich billiger. Aber sieht so die versprochene Bildungsoffensive aus? Und warum eigentlich machen wir uns nicht das rheinland-pfälzische Modell einer „echten“ Ganztagsgrundschule zu eigen? Dann wären alle Kinder und nicht nur die bislang angestrebten 25 Prozent den ganzen Tag versorgt. Aber bei knappen Kassen gibt‘s halt nur die Billigvariante .

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