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Ein Segen für das neue Haus

Der Oberrabbiner Israels weiht das neue Wohlfahrtszentrum der Kölner Synagogen-Gemeinde in Neu-Ehrenfeld ein. In dem traditionsreichen Gebäude residierte ab 1908 das „Israelitische Asyl“

VON JÜRGEN SCHÖN

Neugierig lagen trotz Kälte die Bewohner der Mietskasernen in ihren Fenstern. Ungewohnter Gesang erklang gestern morgen von der anderen Seite der Nußbaumer Straße in Neu-Ehrenfeld: Rabbiner in schwarzen Anzügen weihten mit religiösen Liedern das neue Wohlfahrtszentrum der Kölner Synagogen-Gemeinde ein.

Ein großes Ereignis für die Gemeinde. Mit fast 5.000 Mitgliedern ist sie derzeit die fünftgrößte in Deutschland und die, die am schnellsten wächst. Zur Einweihung waren Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche gekommen, vor allem aber Yona Metzger, der Oberrabbiner des Staates Israel, der als erster religiöser Würdenträger diesen Ranges die Bundesrepublik besucht. Er übernahm es, die Mesusa in den Rahmen der Eingangstür einzulassen. Die Mesusa ist eine Kapsel mit einer Pergamentrolle, auf der eine Lobpreisung Gottes steht. Sie bringt dem Haus Segen und erinnert die Eintretenden daran, Gott zu ehren. Sie soll binnen 30 Tagen nach dem Einzug der ersten Bewohner angebracht werden.

Die waren Ende November eingezogen: 72 Bewohner des Seniorenheims. Im Februar, so hofft Benzion Wieber, Geschäftsführer der Gemeinde, wird dann auch der Kindergarten mit 60 Plätzen und eine Grundschule für insgesamt 100 Kinder bezugsfertig sein. Die ersten zwei Klassen werden derzeit noch im Synagogenzentrum in der Roonstraße unterrichtet. Auf fast 7.800 Quadratmetern finden auch die Sozialabteilung und die Synagoge Platz.

Die Fertigstellung hat sich um ein gutes Jahr verzögert. „Finanzierungsprobleme, weil sich die Baukosten erhöht haben, und gestiegene Sicherheitsanforderungen“, nennt Wieber als Grund. Er rechnet mit Gesamtkosten von rund 30 Millionen Euro, aufgebracht vor allem durch Spenden und Zuschüsse von Stadt und Land. Gut 8 Millionen fehlen noch.

Es ist ein traditionsreiches Gebäude. Hier wurde 1908 das im Rheinland einmalige „Israelitische Asyl“ eröffnet, das unter anderem ein Krankenhaus mit 200 Betten umfasste. 1942 räumte es die Gestapo und wandelte es in ein Wehrmachtskrankenhaus um. Nach Kriegsende fand hier der erste Gottesdienst der überlebenden Juden statt. Später nutzten die Belgier das Haus als Militärkrankenhaus, 1997 kaufte es die Synagogen-Gemeinde von der Bundesrepublik zurück.

„Wir knüpfen hier an die Tradition der jüdischen Wohltätigkeit an“, sagte Gemeindevorstand Ronald Graetz. Laut einem Schreiben des erkrankten Zentralratsvorsitzenden Paul Spiegel umfasst diese nicht nur „materielle Hilfe, sondern auch Mitgefühl, das Hineinversetzen in die seelische und körperliche Not“ des Mitmenschen.

Oberrabbiner Metzger hatte in seiner Begrüßungsrede der Bundesregierung für ihren Einsatz gegen Antisemitismus gedankt. Auch forderte er „alle Söhne Abrahams“ auf, Religion nicht als Vorwand für Terrorismus zu gebrauchen. Gegen diesen schützt sich das Zentrum mit in Masten versteckten Kameras.

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