: Die Gegenspielerin
TALENT Immer mehr Theaterschauspieler wechseln ins Fernsehen. Julia Malik ist eine von ihnen. Eine, bei der es sich aber besonders hinzuschauen lohnt
VON DANIELA ZINSER
Manchmal ist es nur ein Blick. Ein Blick, der in seiner Verletzlichkeit um Sicherheit fleht. Und manchmal kommt zu dem Blick, nun hochmütig und fast kalt, ein überlegenes Zucken um den Mund hinzu. Es sind diese Blicke und die kaum wahrnehmbare Mimik, die den Unterschied spüren lassen. Die Fläche zu Tiefe machen.
Erst merkt man es gar nicht, so vor dem Fernseher, sonntags im ZDF bei der Inga-Lindström-Verfilmung oder beim Sat.1-Dienstagsmovie. Bis irgendwann der Gedanke kommt: Die ist irgendwie anders, die ist da doch verschenkt. Wenn Julia Malik die Gegenspielerin gibt. Die Naive, die es nicht kapiert, dass der Typ nichts von ihr will, oder die reiche, arrogante Verführerin.
Julia Malik ist Theaterschauspielerin. Die 31-Jährige hat an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg studiert, am Schauspielhaus in Hamburg gespielt, im Berliner Renaissance Theater, im Hans-Otto-Theater in Potsdam und am Schauspiel Hannover. Wie immer mehr Theaterleute reizt sie auch das Fernsehen. „Wenn die Kamera ganz nah kommt, das hat eine solche Intimität, dass man manches nur noch denkt und gar nicht mehr spielt, es nur noch erahnen kann“, sagt sie.
Stille statt grober Gesten
Dieses Zurückgenommene macht den Unterschied zu den Fernsehdarstellern, neben denen sie in den vergangenen acht Jahren in Dutzenden Filmen und als Kommissarin Clara Schumann in „Soko Köln“ im ZDF gespielt hat. Eine Situation fast still aushalten, wo andere immer lauter und die Gesten immer plumper werden.
Eine Rolle kann sein wie ein Kind, sagt Julia Malik und zieht sich die Ärmel der großen groben royalblauen Kuscheljacke über die Finger, ein Kind, für das man Verantwortung trägt und das mitwächst. So eine Rolle war die in der Sat.1-Telenovela „Verliebt in Berlin“ (VIB). Vor drei Jahren sollte sie als verheiratete Modedesignerin Nora die Hauptdarstellerin Alexandra Neldel beerben und sich in Lisa Plenskes Halbbruder Bruno verlieben. Mehr Slapstick, mehr Streitcomedy, Julia Malik gefiel das Konzept. „Ich fand es sehr spannend, für Leute zu spielen, die eben nicht wie meine Bekannten eh ins Kino oder ins Theater gehen. Ich habe versucht, es besser zu machen“, sagt sie. Doch für Sat.1 war es zu wenig Erfolg, nach einem halben Jahr wurde Nora aus dem Drehbuch geschrieben.
In den Internetblogs wüteten die Fans, Julia Malik sagt, sie habe erst mal drei Wochen nur gelesen und Musik gemacht, danach intensiv Theater gespielt, ein halbes Jahr lang. Ein wenig traurig sei sie gewesen. „Ich mochte die Geschwindigkeit bei der Arbeit, es war, wie wenn man jeden Morgen in ein Kajak steigt und Wildwasserrafting macht, aber nach fünf Monaten war es auch gut irgendwie“, sagt sie. Genug mit den Covergeschichten bei Bravo, genug damit, unter Beobachtung der Boulevardpresse zu stehen, die von der „Serien-Blitzerin“ schrieb, als einmal ihr Kleid verrutschte.
Davon spricht Julia Malik bedacht, mit weichen, eleganten Bewegungen, aber manchmal wird ihre Stimme ein wenig schneller. Wenn sie davon redet, gleich als Modetussi abgestempelt zu werden, nur weil sie sich für Klamotten interessiert. „Wer sich langweilig anzieht, gilt als ernsthafte Schauspielerin.“ Oder als sie von einem Porträt in der Zeit über ihren Mann August Diehl erzählt, von dem sie in wenigen Wochen ihr erstes Kind erwartet. Diehl spielt mit seinem Vater in einem hochgelobten Theaterstück, seine Frau, eine Soapdarstellerin, hopst elegant rum. So etwa habe es da gestanden. „Aber verdammt, ich spiele die Hauptrolle in diesem Stück“, ärgert sich Julia Malik.
Grob, plump und klobig sei diese Josie in „Ein Mond für die Beladenen“ von Eugene O’Neill, das Julia Malik mit Mann und Schwiegervater erst bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen zeigte, und mit dem sie nach der Geburt ihres Kindes auch im Schauspielhaus Hamburg, am Theater in Luxemburg und Bonn sowie im Berliner Renaissance Theater gastieren wird. Julia Malik genießt es, diese Figur zu spielen, die ihre Stärke aus etwas anderem zieht als aus Süßsein. Das ist es, was sie auch an den Gegenspielerinnen in Fernsehfilmen reizt. „Es macht einen Mordsspaß, eine Zicke zu spielen. Da kann man sich viel mehr austoben“, sagt sie. Außerdem würden die Kontrahentinnen immer die schönsten Autos fahren.
Der Zwang zur Niedlichkeit nervt Julia Malik. Frauen dürfen bloß nicht gefährlich sein, deshalb müssten die Protagonisten sympathisch, sympathisch, sympathisch sein, ohne Ängste und Fehler. „Es ist manchmal nicht zu verstehen: Das Team ist super, die Autoren, der Regisseur, aber alle versuchen, einem bestimmten Zuschauer zu gefallen, den es vielleicht gar nicht gibt.“ Es fehle der Mut zu Brüchen und Auslassungen. Die Hauptfigur habe bestenfalls noch ein Figurproblem, also Größe 40, und vielleicht noch eine latente Schokosucht. Gegen diese Klischees würde Julia Malik gerne ankämpfen, aber die wenigen guten Fernsehrollen kriegen immer dieselben Kolleginnen; einmal so was spielen wie „Erin Brockovich“, eine Frau, die stark ist und den ganzen Klischees von wegen Sexbombe und so die Zunge rausstreckt.
Die Möglichkeit, mehr zu gestalten und nicht nur zu interpretieren, gab für sie damals den Ausschlag, doch nicht wie geplant Geige zu studieren, sondern Schauspielerin zu werden. Gegen den Rat ihres Vaters. „Der meinte, Theater sei ein sexistisches System, in dem ich mich nur von Regisseuren anbrüllen lassen muss. Aber diese Probleme hat man wohl überall.“
Berühren und beunruhigen möchte sie in ihren Rollen und dabei am besten noch ein bisschen komisch sein. Oft passiere es ihr gerade bei den Figuren, die ihr erst so weit weg vom eigenen Ich vorkommen, dass sie durch das Einstudieren der Rolle etwas von sich selbst entdeckt. Etwa bei Rahel in „Die Jüdin von Toledo“, die sie in Potsdam gespielt hat. „Sie macht Dinge in großer Unschuld, ohne nachzudenken, andere aber finden das anstößig“, erzählt Julia Malik. Sie selbst sei einem Freund zur Begrüßung immer freudig um den Hals gefallen, bis sie gemerkt habe, dass alle sie komisch angucken. „Da hab ich gespürt, wie es ist, wenn man sich nicht gesellschaftlich angemessen verhält.“
Die Leute haben wohl einfach nur nicht genau genug hingeschaut. Dabei genügt manchmal schon ein Blick.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen