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Dirty Harry-Krawalle

Am Dienstag findet eine unangemeldete Demo vor dem Sat1-Schmidt-Studio in Köln statt. Die Polizei lässt das kalt

Über Harald Schmidt wird geschrieben, als sei er bereits verstorben. Seit Tagen herrscht Gejammer, dabei ist Schmidts Rücktritt auch ein intelligenter Akt der Solidarität. Jemand, der so aufblühte, braucht keine Kreativpause.

Der Entertainer hat mit seiner Auflösung ins Nichts das Ziel erreicht, den Medienapparat kräftig ins Wanken zu bringen. Wen hätte es schließlich schon gejuckt, dass Sat1-Geschäftsführer Martin Hoffmann geschasst wurde, wenn Schmidt nicht deshalb aufhören würde?

Und nun? Was wächst in der deutschen Fernsehwüste, wenn Schmidt sein Pult räumt? Vorerst nichts: RTL wird weiterhin den Superstar suchen, aber die Superstars auf alle Mattscheiben spucken. Anstatt die Glotze endlich wegzuschließen, in der Gewissheit, nichts zu verpassen solange Schmidt pausiert, geben die Fans keine Ruhe: Im Internet flehen sie, Schmidt solle, ja dürfe nicht gehen. Ein letzter, hilfloser Versuch: Am Dienstag soll eine Demo vor dem Köln-Mülheimer Studio manifestieren, welchen Grad der Verehrung der Entertainer genießt.

Schmidt wird so sehr ikonisiert, dass selbst ledrig braune Gestalten wie Hoffmann-Nachfolger Roger Schawinzki blass aussehen. Schawinski ist anzuraten, der letzten Schmidt-Show besser daheim beizuwohnen und nicht live vor Ort. Denn was passiert, wenn eine aufgebrachte Demo-Meute ihren Judas vors Gewehr kriegt - nicht auszudenken, nicht mal für den Kölner Polizei-Sprecher Wolfgang Beus: Eine Demo sei nicht angemeldet, besondere Vorkehrungen wolle man daher auch nicht treffen.

Die Schwerbewaffneten bleiben also zu Hause, denn der Schmidt-Fan gilt landläufig und im Gegensatz zur Gürtellinien-Fraktion eines Stefan Raab als intellektuell, als friedlich. Also ungefährlich? Vielleicht ein fataler Irrtum.

BORIS R. ROSENKRANZ

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