: Ein Denkmal für Obdachlose
Wem die Kölner ein Denkmal hinstellen sollen, der muss klüngeln können. Das hat Willy Millowitsch zu Lebzeiten ebenso gemerkt wie der schon verstorbene Konrad Adenauer. Doch Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, können da nicht mithalten. Das wollte der Düsseldorfer Künstler Klaus Sievers ändern und lud in die Kölner Überlebensstation „Gulliver“ zum Workshop „Mein Denkmal“.
Neben Café, Kleiderkammer, Duschraum und Beratung fanden die meist obdachlosen Ratsuchenden dort im Oktober ein „Kreativangebot“ vor. „Sie konnten aus Gips, Pfeifenreinigern, Pappe oder Farben kleine Kunstwerke schaffen, in denen sich ihr Leben und ihre Träume widerspiegeln“, erklärt Sievers sein Konzept. Die Ergebnisse fotografierte er und montierte sie in Aufnahmen von Kölner Ansichten, die sich die Laienkünstler ausgesucht hatten. So lässt Punker Eis (alle nennen nur ihre Vornamen) eine Gipsfigur mit Stinkefinger „die Jungs von der Eigelsteinwache“ grüßen. Michelle provoziert mit einem Zelt aus Plastiktüten vor dem Prunkhotel Hyatt, während Dominik eher vom idyllischen Heim träumt: ein Starenkasten unter Bäumen am Rhein. Es war nicht leicht, Kontakt zu finden“, erzählt Sievers und gibt zu: „Zuerst hielt ich sie für harte Typen.“ Dann aber war er überrascht von ihrem „Einfühlungsvermögen und ihrer Sanftheit“. Respektvoll stellt er fest: „Sie leben und überleben in einer schwierigen Welt, in der der Tod sehr präsent ist.“ Gleichzeitig räumt er ein: „Auch wenn ich als Künstler akzeptiert wurde, in dieser Welt war ich nur Gast.“ 12 machten dann mit.
Eine Schwangere setzte ihren dicken Bauch als Krönung in ein Domfenster. Peter verewigte seine Hand in einer Mauer, von der er einmal herunterstürzte und erst im Krankenhaus aufwachte.
Mit Sievers Hilfe konnten sie sich ein Denkmal setzen, konnten einmal heraus aus der Anonymität. Bleibt zu hoffen, dass jetzt auch viele Betrachter den Weg zu den ausgestellten Fotomontagen ins Gulliver in den Katakomben unterm Hauptbahnhof finden. JÜRGEN SCHÖN
„Mein Denkmal“: Gulliver, Trankgasse 20, bis 31. Januar 2004, Mo-Fr 6-13 und 15-22 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen