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Der letzte Tanz

ABRISS 17 Jahre lang arbeitete die Ateliergemeinschaft Skam in dem Waschbeton-Bau am Eingang der Reeperbahn. Nun muss das Gebäude den „Tanzenden Türmen“ weichen

Wo es durchs Dach tropfte, stellten die KünstlerInnen große Wannen hin

von KLAUS IRLER

Der Raum ist ungefähr so groß wie ein halbes Fußballfeld. Wenn man am einen Ende sitzt und am anderen Ende jemand telefoniert, hört man davon nichts. Rund 2.500 Quadratmeter Fläche, ohne Wände, ohne Schrägen, einfach nur Platz. Früher waren hier die Bahnen eines Bowling-Centers. Seit 1992 nutzten den Raum insgesamt über 120 KünstlerInnen als Gemeinschaftsatelier. Für manche war es der Beginn einer Karriere.

Die KünstlerInnen sahen und hörten, wie eine Etage unter ihnen unter anderem der Mojo-Club kam und ging, sie bekamen Besuch von Galeristen und Professoren, organisierten regelmäßig Ausstellungen und stellten große Wannen da hin, wo es durchs Dach tropfte. Sie hatten nie eine Heizung und arbeiteten im Winter so lange, bis die Farbe einfror. Damit ist jetzt Schluss: Am 15. Mai kommen die Abrissbagger. Die Mitglieder der Ateliergemeinschaft, die sich als Verein organisiert hat, räumen derzeit das Gebäude und laden ein zur letzten Ausstellung, die morgen beginnt und bis Sonntag dauert.

An die Stelle des Waschbeton-Baus mit der Adresse Reeperbahn 1 kommen zwei Bürotürme, die der österreichische Baukonzern Strabag realisiert. Nach einem Entwurf des Hamburger Architekten Hadi Teherani sollen die bis zu 24 Etagen hohen Türme leicht geknickt aneinander lehnen. Die Macher reden von den „Tanzenden Türmen“. Einziehen wird in den Etagen eins bis elf der Strabag-Konzern selbst. Im Keller soll der Mojo-Club auferstehen. Fertig sein soll das Projekt Anfang des Jahres 2012. Das Investitionsvolumen beträgt 150 Millionen Euro.

Die aktuell 25 KünstlerInnen der Ateliergemeinschaft ziehen nun geschlossen in den Frappant-Bau in der Großen Bergstraße und wollen dann nach einer längerfristigen Bleibe suchen. Denn auch die Zukunft des Frappant wird nicht darin bestehen, Ateliers zu beherbergen: Das Möbelhaus Ikea will dort im Jahr 2012 eine Filiale eröffnen.

Finale Vernissage im Skamraum: Freitag, 8. 5., ab 19 Uhr; 9. + 10. 5. ab 15 Uhr; am 10. 5. gibt es ab 18 Uhr eine Auktion für die Vereinskasse www.skam.org

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