: Brühwurst aus Fleischabfällen
Staatsanwaltschaft nimmt mehrere niedersächsische Betriebe ins Visier: Sie sollen massiv gegen Hygienevorschriften verstoßen und Fleisch falsch etikettiert haben. Gesundheitsgefahr für die Verbraucher besteht aber offenbar nicht
AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES
Als „höchst unappetitlich und auch strafbar“ bezeichnete Gert Hahne, Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, gestern die Hintergründe für die vorübergehende Schließung einer Fettschmelze in Bakum im Landkreis Vechta. Gesundheitliche Gefahr für den Verbraucher bestehe nicht, obwohl nur als Tierfutter zugelassene Fleischabfälle den Weg in Lebensmittel gefunden hätten. Das in dem Lebensmittelbetrieb gefundene Stichfleisch sei nämlich „vermutlich in die Produktion von Brühwürstchen gelangt“. Und die würden „in der Produktion hocherhitzt“.
Zwischen 500 Kilo und einer Tonne Stichfleisch hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg in der letzten Woche in dem 20 Mitarbeiter zählenden Betrieb beschlagnahmt. Dieser nennt sich laut Bernard Südbeck, dem Sprecher der Ermittlungsbehörde, zwar „Innereienverwertung und Fettschmelze“, war zuletzt aber vor allem im Handel tätig. Stichfleisch nennt man jene Körperpartie von Schweinen oder Rindern, an der der Schlachter sein Messer ansetzt und das Blut ablässt. Diese Stücke sind von Blutergüssen verfärbt. Geeignet sind sie nur als Tierfutter, weil mit dem Stich des Schlachters Keime hineingelangen können.
Bei der Durchsuchung wurden, so Staatsanwalt Südbeck, auch rund 1.000 Label gefunden, mit denen von der Europäischen Union zertifizierte Schlacht- oder Zerlegebetriebe vom Veterinär geprüftes Fleisch als genusstauglich kennzeichnen. Diese hätte die Fettschmelze gar nicht haben dürfen – ebenso wenig wie 200 Herkunftsetiketten eines Schlachthofs. Bis zu 20 Tonnen Schlachtnebenprodukte wurden täglich in den Betrieb geliefert. Dabei hätten als Lebensmittel geltende Schweineschwarten schon mal zusammen mit Stichfleisch oder ungereinigten Därmen in einem Container gelegen, sagte Südbeck. Dabei gehörten Fleischabfälle prinzipiell nicht in einen Lebensmittelbetrieb. Das Fleisch für den Weiterverkauf sei dann aus den angelieferten Ladungen heraussortiert worden.
Gegen die Verantwortlichen der Fettschmelze und vier weiterer Betriebe ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Urkundenfälschung, des gewerbsmäßigen Betrugs und zahlreicher Verstöße gegen das Lebensmittelrecht. Im Visier hat sie dabei auch die Schlachthöfe, aus denen die aufgefundenen EU-Label stammen oder die den Betrieb beliefert haben. Proben wurden auch in einem Fleisch verarbeitenden Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern genommen, der Lieferungen von der Fettschmelze erhalten hatte, verbotene Ausgangsprodukte konnten darin aber nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums nicht nachgewiesen werden. Ministeriumssprecher Hahne wies gestern auf die Geschäftspartner hin, die der als Fettschmelze firmierende Fleischhandelsbetrieb vor allem jenseits der EU-Grenzen in Osteuropa habe. Die Schließung des Betriebs sei nicht mit den Ermittlungen, sondern mit den Hygienemängeln begründet worden. Er dürfe daher nach einer gründlichen Reinigung sein Geschäft bald wieder betreiben.
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