: Sprache, narrische
Das Junge Theater zeigt in der Schwankhalle den Karl Valentin/Liesl Karlstadt-Abend „Heute besuch ich mich, hoffentlich bin ich daheim!“
O‘zapft is‘. Weißbier schäumt lustvoll über den Glasrand. Das Publikum hockt launig im Bierzeltbühnenbild. Blasmusik durchhüpft die blauweiß parfümierte Luft. Vollbusig versuchen Madeln herumzudirndln, stehen aber nicht üppig genug im Fleisch. Auch statt ‘ner Maß gibt es nur 0,3 Liter-Gläser. Statt Hax‘n immerhin Brez‘n und Radi. Hier soll nicht krachledernes Volkstheater reanimiert, nicht Stücke der Fleißer oder Horvaths aus unser aller Kleinbürgerseele erklärt werden.
Das Junge Theater gibt sich für ihren Karl Valentin & Liesl Karlstadt-Abend so erfrischend unambitioniert wie noch nie, dabei so professionell und stilsicher wie selten. Die Schwankhalle als vollendeter Erlebnispark für ein breites Freibier-Publikum. Und – g’suffa – mittendrin ein chinesisches Couplet. Mantsche Mantsche Pantsche Hon kon Tsching Tschang / Kaifu schin sie Pering gigu wai hai wai / Titschi tatschi makka zippi zippi zappi / Guggi dutti suppi Mongolei.
Die sich spiralig dem Absurden entgegen schraubenden Dialoge der Sketchfolge „Heute besuch ich mich, hoffentlich bin ich daheim!“ müssen erst mal gegen den bajuwarischen Ausstattungskitsch behauptet werden. Geht denn das? Valentin/Karlstadts hintersinnige Komik und der bayernde Kunstjargon in der Bremer Neustadt?
Es geht ganz wunderbar. Denn Denis Fischer als hagerer Komödiant und Volkssänger war darstellerisch noch nie so gut. Während Anja Wedig etwas nervt, ihre Karlstadt-Rollen immer wieder als Lolita-Püppchen zu verdrolligen. Aber beide treffen den Ton der Valentin‘schen Musik, den kleinbürgerlich dusseligen Duktus und den ewigen Kreislauf der Logik-Schleifen, mit denen man sich gegenseitig zur Verzweiflung – oder zum Lachen bringt. In keiner Sprache kann man sich halt so schwer verständigen wie in der Sprache (Karl Kraus). Warum der Elefant Elefant heiße? Weil er eine Ele am Fant habe, aber auch einen Rüssel am Kopf. Müsste er also Rüsselkopf heißen?
Wie man nur so saudumm daherreden kann? Das macht ganz narrisch. Eben darum geht es. In Karl Valentins Zeit um die Landflüchtlinge in München, die zwischen Bürgerträumen und Proletenelend taumelten. Ganz allgemein um die wehrlosen Worte, auf denen so lange herumgeritten wird, bis sich der Sinn verflüchtigt. Alles rätselhaft bleibt wie eine Tautologie, bei der man nie weiß, ob sie die ganze Wahrheit oder nur Unsinn freisetzt.
Tsching Tschang gibidani busi / Meine lippi xaxixaxixaxixaxixax / Tsching Tschang Tsching Tschang gisidanan fusi / Andigigiolipappi haxi hax / Glaub mich lachen aus weil bin Chinese / Was is des?
Immer wieder funkeln solche Sentenzen vom Fremdsein durch die wortklauberischen Arien und piesackenden Duette. Kaum zu fassen, ob sie ernst gemeint sind – oder nur ein Sprachspiel darstellen.
Regisseur Frank Albrecht hat weniger bekannte szenische Miniaturen aus den 40er Jahren in sein Best-of-Valentin-Programm eingebaut. Damals war nicht mehr die Zeit für kunstvoll groteske Brettlkultur. Valentin verlor sein Publikum, da er dramaturgisch zunehmend klarer Geschichten entwarf über fehlende Zusammenhänge in der Welt.
„Solange es Menschen gibt, gibt es Krieg“, heißt es da. Warum? Weil die Arbeiter sich nie weltweit einig würden, keine Waffen mehr zu produzieren. Warum? Weil sie mit Geld gelockt und beschwindelt würden, dass die Waffen für etwas Gutes da seien. Und wie heißt der Schwindel? „Internationaler Kapitalismus!“ Und wie kann man den ausrotten? Mit der Atombombe, die aber wiederum von Arbeitern hergestellt würde, die dann mit ausgerottet würden.
Albrecht findet das richtige Timing zwischen konzentrierter Ruhe und volkstheatraler Schenkelklopfgaudi, moralischem Anspruch und dadaistischem Spaß. Die Zerdenk-Dialoge erklären sich aus sich heraus. Das ist zwar so schon hundertfach auf deutschen Bühnen passiert. Aber die Textauswahl und die Ausstattung heben die Bremer Inszenierung hervor. Und das überzeugend bescheiden im Sinne der Kurzweil. Also, „marsch vorwärts ins Theater“, wie Valentin sagte. Das Junge Theater ist gerade mal nicht daheim – und richtig gut. Jetzt alle: Ziggi zam ziggi zam Tschin Tschin wuggi gu / Wassi Wassi tscheng patschi zsching wuh-hu wu. fis
Nächste Vorstellungen: 25.12, 26.12., 30.1.2005, jeweils 20.30 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen