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Hartes Leben in der Halbwelt

Grenzverletzungen am 38. Breitengrad: Das Zeughaus-Kino stellt in der Reihe „Kinematographie heute“ das aufstrebende Filmland Korea vor

Der asiatische Film hat treue Anhänger in Europa, die sich längst eigene Bezugsquellen aufgebaut haben. In Deutschland versorgen traditionsgemäß die Berlinale (und besonders das Forum), aber auch das „Fantasy Filmfest,“ Verleihe wie „Rapid Eye Movies“ und einige hoch spezialisierte Videotheken die Enthusiasten. Doch deren Loyalität durchläuft Zyklen: Wo in den frühen Neunzigern Hongkong Monopolist war, bestimmten später der japanische Film die Bilder und das indische „Bollywood.“

Momentan konzentriert sich die Aufmerksamkeit jedoch auf Südkorea. Dort hat sich in den letzten Jahren, in Wechselwirkung mit internationalen Festivalerfolgen, Umsatzrekorden im Inland und der Lockerung der Zensurbestimmungen, ein eindrucksvolles neues Kino herausgebildet. Damit beschäftigt sich jetzt das Zeughaus-Kino, das im ersten Teil seiner „Kinematographie heute“-Reihe einen Überblick über die koreanische „Nouvelle Vague“ liefert.

Auftakt und Abschluss bildet dabei folgerichtig Kim Ki-Duk, der mit drei Arbeiten im Programm vertreten ist. Sein „Seom The Isle“ (2000) brachte Korea als Filmland wieder ins Gespräch und erschloss sich ein Publikum außerhalb der Festivals. Die Geschichte um das triste Leben an einem abgelegenen See, wo die junge Hee-Jin Urlauber mit allem Nötigen versorgt – Vorräten, aber auch käuflicher Liebe –, funktioniert als Psychothriller, in dem sich zugleich eine zerstörerische Liebe spiegelt. Zärtlich und doch rücksichtslos klammert sich Hee-Jin an Hyun-Shik, der in das Ausflugsparadies gekommen ist, um sich umzubringen. Dazu lässt es die junge Frau nicht kommen, doch von Happy End kann keine Rede sein. Punktgenau arrangiert Kim Ki-Duk seine Versuchsanordnung, die niemanden unbeschadet lässt, und spielt dabei bildgewaltig mit den Klischees malerischer Natur wie wahrer Liebe. Das eine ist trügerische Kulisse, das andere entwickelt, wie oft bei Kim Ki-Duk, verhängnisvolle Sprengkraft.

Leben, Hoffnungen, aber auch Elend der südkoreanischen Jugend stehen immer wieder im Mittelpunkt. Die Reibefläche bilden dabei weniger staatliche Repression oder Drangsalierungen durch die Elterngeneration als vielmehr das gesellschaftliche Desinteresse gegenüber jugendlichen Außenseitern. Im Sang-Soos auf DV gedrehter Film „Tears“ (2001) inszeniert diese Apathie als kompromisslose „Kids“-Variation zwischen Prostitution, Gewaltausbrüchen und Leimschnüffeln. Die Jugendlichen ziehen das harte Leben in der Halbwelt des Seouler Rotlicht-Distrikts dem vermeintlich sorgenfreien Familienalltag vor. Park Ki-Yongs „Motel Cactus“ (1997) findet in einem ähnlichen Kontext statt: Vier Pärchen treffen in der titelgebenden Herberge aufeinander, haben Sex, suchen Liebe oder nehmen einfach nur eine unbeobachtete Auszeit. Ambitioniert, aber auch etwas konfus reiht Ki-Yong Schlaglichter auf, die Wong Kar-Wais Kameramann Christopher Doyle in wunderbaren Bilden einfängt.

Auffällig ist der jugendliche Drang nach Unabhängigkeit, den auch freundlichere Filme skizzieren. „Miss Unerhört“ (Yeopgijeokin geunyeo, 2001) von Kwak Jae-Yong macht aus einer Zufallsbekanntschaft in der U-Bahn eine sympathische Liebesgeschichte zwischen einem spießigen jungen Mann und einer Außenseiterin. Als „romantic comedy“ mit Klamauk-Einlagen ist der Film auch eine Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Status quo. Jeong Jae-Euns „Take Care of My Cat“ (2001) über das Beziehungsgeflecht zwischen fünf Freundinnen bezieht seinen Reiz ebenfalls aus der Doppelbödigkeit. Vordergründig geht es um die jungen Frauen, eine Katze – und die Handy-Kultur. Aber es geht auch um den Gegensatz zwischen Land und Stadt, Bodenständigkeit und Ausbruch.

Eine offensichtliche Quelle für soziale Spannungen bilden der Koreakrieg und seine Folgen. Seit Juli 1953 herrscht zwischen Nord- und Südkorea ein wackliger Waffenstillstand, aber kein Frieden. Bemerkenswert, dass auch das koreanische Kino die ungeklärte Situation aufgreifen kann und dabei selten propagandistischen Vorgaben folgt. „Schöne Jahreszeit“ (Areumdaun sijeol, 1999) von Lee Kwang-Mo schildert das problematische Leben mit den US-Soldaten zur Zeit des Krieges 1952. Die Amerikaner sind fast Besatzer und nutzen die politische wie wirtschaftliche Abhängigkeit der Koreaner entsprechend aus.

Auch Park Chan-Wook, den neben Kim Ki-Duk wohl prominentesten koreanischen Filmemacher, zog es mit „Joint Security Area“ (2000) an die Demarkationslinie. Eine nächtliche Schießerei im Grenzgebiet der „entmilitarisierten Zone“ scheint hier zunächst ein klarer Fall zu sein, ein kurzer Gewaltausbruch im Kalten Krieg. Doch bald wird klar, dass es hier nicht um soldatische Pflichten, sondern unerlaubte Fraternisierung geht. Inakzeptabel für die Befehlshaber, nachvollziehbar für die Schweizer Ermittlerin der „Aufsichtsbehörde der neutralen Nationen“. Mit Perspektivwechseln und ideologiebefreitem Tonfall zeigt Park Chan-Wook die Folgen von Teilung und Propaganda auf beiden Seiten. THOMAS KLEIN

Bis 6. 2., Zeughaus, s. Programm

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