piwik no script img

CHRISTIAN BUSSDER WOCHENENDKRIMIAuf roher See

Rechtsstaatlichkeit ist keine grenzenlose Angelegenheit, schon zwölf Meilen hinter der Küste endet sie. Auf See wird es dann ein wenig unübersichtlich mit den juristischen Kompetenzen, wie Kommissar Stedefreund (Oliver Mommsen) feststellt, als er ein Containerschiff mit potenziellem Mörder an Bord nach Bremerhaven zurückbeordern will. Dem Bremer Staatsanwalt sind die Hände gebunden, der deutsche Reeder will nicht vom Zeitplan abweichen, und der Botschafter von Liberia, unter dessen Flagge der Frachter fährt, sieht sich nicht zuständig. Die „MS Karina“ tuckert also ungehindert weiter nach Norwegen.

Dabei drängt die Zeit, denn an Bord ist auch Ermittlerin Inga Lürsen (Sabine Postel). Die wird zwischen Kojen und Kombüse nun mit einer mürrischen Gruppe Verdächtiger konfrontiert: dem besoffenen Kapitän (Michael Gwisdek), dem Koch und Alkoholschmuggler Juri (Jevgenij Sitochin), dem dänischen Offizier Sondergard (Carsten Norgaard) und dem Maschinisten Onno (Gustav Peter Wöhler), der für seine ungelenk überspielte Homosexualität von der rustikalen Mannschaft immer wieder aufs Böseste vorgeführt wird. Nein, diese Bootsfahrt ist nicht lustig.

Die Bremer Episode „Schiffe versenken“ (Buch: Wilfried Huismann, Buch: Philip LaZebenik) ist Täterrätsel und Arbeitsweltbesichtigung in einem: Regisseur Florian Baxmeyer, der zuvor die hochkonzentrierte Hamburger „Tatort“-Episode „Häuserkampf“ vorgelegt hat, zeigt in einem klaustrophobischen Szenario die Zumutungen der modernen Seefahrt. Auf dem Meer, so die Erkenntnis, existiert ein Arbeitsrecht so wenig wie eine verbindliche Strafverfolgung. Etwas unglaubwürdig zwar, dass ausgerechnet Landratte Lürsen an Computern zwischen Containern und in Staukammern den Überblick hat. Doch geschenkt: Der profunde Einblick in die düsteren gesetzesfreien Ladeluken tröstet über die eine oder andere Plausibilitätslücke hinweg.

■ Bremen-„Tatort“: „Schiffe versenken“, So., 20.15 Uhr, ARD

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen