Village Voice: Das musikalische Wohnzimmer der Hauptstadt
„Monika Force“ beginnt – trotz des energischen Titels –, wie man es von der neuesten Compilation des kleinen kuscheligen Plattenlabels aus der Hauptstadt erwarten darf: Gemütlich pluckern ein paar verlorene Töne, während eine unaufgeregte, seltsam unbeteiligte Stimme ankündigt, gleich angerannt zu kommen, um einem die Schnürsenkel zu binden. Der Track stammt vom anderthalb Jahre alten Album von Chica + the Folder, so wie alle anderen Stücke auch bereits erschienen sind – außer der aktuellen Fassung des die Platte abschließenden „3 Hours“ von Komëit, das in einem exklusiven und konzentriert groovenden Remix von T. Raumschmiere daherkommt. Zwischen diesen beiden Endpunkten wird pünktlich zum Jubiläum der 40. Veröffentlichung die ganze Bandbreite des Labels ausgebreitet, das längst raus ist aus dem Wohnzimmer, in dem es dereinst das Licht der Welt erblickte. Zwischen Anfang und Ende, der freundlichen Elektronik und den Nachwehen von Techno, da ist eine Menge Raum, das hört man auf „Monika Force“: Cobra Killer stellen in „Heavy Rotation“, dessen Monotonie noch verstärkt wird durch den Remix von Like A Tim, fast schon parodistisch die Eintönigkeit des Radios nach; Figurine versuchen mit verhallter Programmierung die Coolness durchzudeklinieren; Contriva klimpern sich durchs Gitarrenhandbuch; Florida tun so, als wären Velvet Underground & Nico noch einmal mit Hilfe des Computers wiederzubeleben; Masha Qrella erreichen per Gitarrenpop höhere Aggregatszustände; und Manuela Krause verpasst im Verbund mit dem Produzenten-Säulenheiligen Pole ausgerechnet Alexandras altgedientem Ökogassenhauer „Mein Freund, der Baum“ einen so modernen Anstrich, dass dessen schon damals nicht zu verleugnende Antiquiertheit erst richtig sichtbar wird. Während nun also die Parade meistenteils hauptstädtischer Produzenten-Elite vorbeizieht, bei der natürlich die allerbekannteste Monika, Barbara Morgenstern, nicht fehlen darf, entsteht dann doch ein überraschender Gleichklang über alle musikalischen Lager hinweg. Wie selbstverständlich fügen sich die bald 20 Songs trotz aller stilistischen Unterschiede zu einem einheitlichen Kosmos, in dem meist etwas schief gesungen wird, die Rhythmen eher gemächlich daherschlurfen und die Sounds, seien sie nun akustisch oder im öfteren Falle elektronisch erzeugt, selten einen kalten Eindruck hinterlassen. Wie ein Fremdkörper wirkt nur der Morgenstern-Remix der Burka Band, „Afghanistans erster Girlgroup“ (Die Zeit), deren Kinderlied über die Burka gerade heute wieder vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen so gar nicht mehr kindlich wirken will. Allerdings im Gegensatz zu den bisher auf Monika erschienenen Compilations, die mal Genre-definierend waren wie „Musik fürs Wohnzimmer“ oder zumindest thematisch zusammengestellt wie „Santa Monika“, ist „Monika Force“ kaum mehr als ein solider Überblick über den Output eines der immer noch spannendsten Berliner Labels. Aber halt auch nicht weniger, und das ist doch schon was.
THOMAS WINKLER
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