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zwischen den rillenGegen Krieg, mit Schlampen

Die Rapper Saul Williams und Nas widmen sich auf ihren neuen Alben den Codes gänzlich unterschiedlicher Straßen

Er hatte sich viel vorgenommen. „Visualizin’ the realism of life and actuality“, heißt es in einem der Reime, mit denen Nas 1994 auf „Illmatic“ klarstellte, warum er der neue Chef im HipHop war. Immerhin gilt das Debüt des New Yorker Rappers Nasir Jones als großer Coup der Neunzigerjahre: Sein rauer Ton war den Gangster-Lyrics der Westcoast ebenbürtig, doch mit seinen Grooves war Nas ganz auf der Seite von Block-Partys und Breakdance-Battles. Außerdem verkörperte Nas die Coolness desjenigen, der auf der Straße aufgewachsen war und wusste, wovon er sprach. Nicht von ungefähr hat er wieder und wieder daran erinnert, dass mit Boogie-Down-Productions-Gründer Scott La Rock einer der ersten Toten, die der Kampf um die Meinungsführerschaft im HipHop gefordert hatte, aus New York kam und nicht aus L.A.

Dann aber geschah, was häufig geschieht. Man gewöhnte sich an den Mann aus Queens, nahm seine Texte als Ausdruck einer black consciousness jenseits von Five-Percent- und Nation-of-Islam-Diskussionen wohlwollend hin. Schließlich kannte sich Nas in den ethnischen Festungen jenseits von Uptown-Manhattan aus: Er hatte was zu sagen über Crack-Dealer, Wohnelend und minderjährige Mütter in den Projects. So wurde die Stimme der Authentizität zu einer Spur mehr auf dem Highway durch die Konfliktzonen – ein lukratives Hörbuch über das harte und gefährliche Leben im Inner-City-Bereich.

Gleichwohl hat Nas der Aufstieg im Unterhaltungsgeschäft nie wirklich geschadet, wenn es um seine Credibility ging. Mal war er auf einem frühen Album des Wu Tang-Clans zu Gast; mal geriet er mit Jay-Z darüber aneinander, wer von beiden die Geheimnisse des Rap an den Mainstream verraten hat. Und nebenher wurden von Platte zu Platte diverse Millionen verkauft, sodass seine neueste Produktion „Street’s Disciple“ jetzt als Doppel-CD vorliegt – monumental durch HipHop, wie Nelly, Tupac Shakur oder eben Jay-Z.

Genau diese Monumentalität macht es schwierig, den original Nas in der satt bouncenden Produktion aufzuspüren. Wenn er will, spannt er in seinen Lyrics immer noch den Bogen zwischen frustriertem Straßenecken-Kid und beschlagenem Trickster auf. Dank solcher Ambivalenzen schillern die Stücke zum Ghettoalltag in Cinemascope; vor allem geraten sie dauernd aus den Fugen, sodass man gut und böse wie bei einem Hardboiled-Thriller nicht trennen kann.

Meistens geht es aber bloß um die üblichen Sexismen, die Nas mit erstaunlich müder Routine abspult wie ein in Fließtext übersetztes Pornovideo. Wenn ihn seine Lebensgefährtin Kelis auf „Remember The Times“ drängelt, etwas über seine bisherigen Frauen zu erzählen, dann grummelt Nas ein paar genitale Bekenntnisse ins Mikro, die S/M-Klischees mit Fachbegriffen aus der Urologie verbinden – auch die Harnröhre rockt mit. Das hat wenig mit literarischer Ausschweifung zu tun: Nas bedient eine Zielgruppe, die sich nicht für komplexe Signifying-Spiele interessiert, bei denen Sprache der Motor der Differenz ist; stattdessen soll man doch wieder nur bei Tittenchicks und Niggerdicks aufhorchen. Damit treibt Nas das Genre des Porno-Raps ins Extrem, seinen Ruf als ebenso grandioser wie schlecht gelaunter Kommentator schwarzer Undergroundkultur dürfte er auf diesem Wege jedoch endgültig verlieren.

Saul Williams hat sich in entgegengesetzter Richtung aus dem Fenster gelehnt. Vor vier Jahren wurde er als Nachfolger von Gil Scott-Heron und Held der Slam-Poetry gefeiert, sein Debüt „Amethyst Rock Star“ kam fett produziert auf Rick Rubins American Recordings heraus. Doch Williams’ wütende Kritik der Bush-Regierung wollte 2004 in dem von MTV geregelten HipHop-Betrieb niemand so recht hören. Obwohl. oder soll man sagen gerade weil die Single „Not In Our Name“ zur Hymne auf allen Antiirakkriegs-Demonstrationen in den USA wurde, ist Williams nun bei einem Independent-Label gelandet. Deshalb ist seine zweite CD hierzulande bislang nur als Import erschienen.

Das ist schade. Denn in den durchgedrehten Verwischungen aus Hardcore-Punk, Downtempo-Beats, Blues- und Thrash-Metal-Samples landet man bei Saul Williams auf ziemlich unbekanntem, aber extrem aufregendem Terrain. Plötzlich ist HipHop wieder eine Kraft from outer space, ein magisches und subversives Wissen, das von Williams oft in queren, sperrigen Versen vorgetragen wird. Er assoziiert, arbeitet mit Gleichklängen und lässt am Höhepunkt von „African Student Movement“ die selbe Phrase fünfmal aufeinander folgen: „Shotgun, Shotgun, Shotgun, Shotgun, Shotgun“. Dazwischen ist nichts, was die archaischen Sprachgebilde in musikfernsehenkompatible Images verwandeln würde. Williams bleibt in seinen Lyrics ein ungebändigter Eigenbrödler, der weder nach Charts-Einstiegsmöglichkeiten noch anderweitiger Bestätigung sucht. Bei ihm folgt die Verunsicherung einer Logik, die aus dem Denken kommt. Die Festung, in der HipHop als Rahmenhandlung für schwarze Erfolgsmodelle und Outlaw-Biografien herhalten muss, wackelt jedenfalls gewaltig. HARALD FRICKE

Nas: „Street’s Disciple“ (Sony)Saul Williams: „Saul Williams“ (Faderlabel)

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