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Das Ende eines singenden Fensterputzers

Der Unternehmer Ulrich Andreas Vogt hat als Intendant im Dortmunder Konzerthaus hingeschmissen. Wegen Anfeindungen aus dem Rat, sagt er. Wer war der Mann, der in der Westfalenmetropole unter die Räder kam?

Visionär oder Schlitzohr? Die Frage, obwohl zulässig, ist in Bezug auf den Unternehmer Ulrich Andreas Vogt falsch gestellt. Er ist ein Mann, der von einer kulturpolitischen Idee besessen ist (oder war). Im Unterschied zu anderen verfügte er über Mittel und Wege zur Durchsetzung. Als Besitzer und Betreiber einer Gebäudereinigungsfirma mit rund 1.500 Mitarbeitern in mehreren Bundesländern, verfügt er über das Potential für ein wirkungsmächtiges Eingreifen.

Vogt, Jahrgang 1952, ist managementerfahren und durchsetzungsfähig – 1974 übernahm er den väterlichen Betrieb. Freilich versteht er sich auch als „Künstler“, da er sich auch musikalisch ausbilden ließ – er absolvierte ein Gesangsstudium in Paris und besuchte Rolf Liebermanns dortige Opernschule, bildete sich in Luzern und Köln fort, hospitierte bei den Bayreuther Festspielen und erhielt, was bei dem Hintergrund wahrscheinlich nicht sonderlich schwierig war, von den Städtischen Bühnen Dortmund einen Vertrag.

Die geschäftlichen, lokalkulturpolitischen und auf Musikmanagement gerichteten Ambitionen Vogts ließen sich im Verein der Dortmunder Theater- und Konzertfreunde e.V. ansatzweise bündeln. 1977 rückte er in den Vorstand auf. 1985 bis 1994 war er Vorstandsvorsitzender und maßgeblich beteiligt, dass SängerInnen mit glänzenden Namen (aber meist nicht mehr ganz frischen Stimmen) auch nach Dortmund Abstecher einlegten – Edita Gruberova, Vesselina Kasarova, Agnes Baltsa oder Dietrich Fischer-Dieskau. Gestützt auf die Hausmacht Konzertfreunde rief Vogt den Aktionskreis ProPhilharmonie ins Leben.

Nach zehn Jahren war es so weit: Der 13. September 2002 erwies sich dann als der große Tag im Leben des Ulrich Andreas Vogt. Er hatte die Errichtung eines Philharmonie-Neubaus in Dortmund durchgesetzt. Das Gehäuse, das eine „Schuhschachtel“ mit guter Akustik beherbergt, war nach vielen kommunalpolitischen Querelen südlich des Hauptbahnhofs an der Stelle des Universum-Kinos auf ein schmales Grundstück gezirkelt worden und diente nicht zuletzt der Sanierung und Niveauhebung des „Brückenstraßen-Viertels“. Im Zuge der Gründung und Konsolidierung der Betreibergesellschaft (zunächst als städtische Tochtergesellschaft Kultur + Projekte Dortmund GmbH) avancierte Vogt zum Intendanten und Geschäftsführer der Konzerthaus Dortmund GmbH. Er kannte seine Pappenheimer und wußte, daß er in wirtschaftlich schwierige Fahrwasser steuert. Zumal 2004 auch noch eine neue Philharmonie in Essen erfolgreich ihre Arbeit aufnahm.

Als bereits zwei Jahre nach dem Stapellauf das Dortmunder Konzertschiff, das trotz seines überwiegend populistischen Programms statt der prognostizierten 85 % nur 70 % Auslastung „einfährt“, finanziell zu schlingern begann, mußte die Stadt Dortmund – zur Ablösung fälliger Kredite – im vergangenen Herbst einen raschen Nachschlag von1,4 Millionen Euro bewilligen. Sonst hätte Vogt die Insolvenz seiner Konzerthaus-GmbH anmelden müssen. Aber das lag nicht Interesse von Ernst Prüsse, dem einflußreichen SPD-Fraktionschef im Rat, der – vorsichtig gesprochen – dem Finanzklangkünstler Vogt weniger nahe steht als die CDU oder der aus dem Bildungsbürgertum stammende Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer. Als Repräsentant des mit Bierbauch sozialisierten Dortmund drohte Prüsse, dem Konzert-Intendanten einen Prokuristen „zur Seite zu stellen, der sich ums Kaufmännische kümmert“ (Klartext: einen Aufpasser vor die Nase zu setzen). Das begriff Vogt ebenso als Provokation wie die Wahl der Grünen-Chefin Daniela Schneckenburger zur Aufsichtsratsvorsitzenden seines Unternehmens – sie hielt zuvor und wohl auch seither den Konzertsaal nicht eines Besuchs würdig. Ahnungslosigkeit und Ablehnung aus dem Bauch, Desinteresse und Ignoranz rührten an die Schmerzgrenze: Impulsiv kündigte Vogt jetzt seinen Vertrag zum 31. Juli 2005. FRIEDER REININGHAUS

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