: Wein vom Ende der Welt
Australischer Wein boomt. Trotzdem sind Weine aus Westaustralien hier meist unbekannt. Die Nischenprodukte aus dem äußersten Süden des Westens zeigen eine faszinierende Facette des australischen Weins. Auch Riesling ist mit dabei
VON TILL EHRLICH
Je südlicher, desto kühler. Albany ist ein kleiner Hafenort in Westaustralien, unmittelbar am Indischen Ozean. Es ist jene australische Stadt, die mit am nächsten zum Südpol gelegen ist. Albany ist auch eine der kühlsten Städte auf dem fünften Kontinent. Vor dreißig Jahren lag ein Geruch von Lebertran über den Anlagen, wo Wale verarbeitet wurden. Der Gestank ist verschwunden, längst gibt es keinen Walfang mehr in Albany. Dafür aber eine wesentlich angenehmere Attraktion, hier, am Ende der Welt: Nur eine halbe Autostunde dauert die Fahrt von der Küste ins Landesinnere. Dann werden die ersten Rebhügel sichtbar: das Weingebiet von Mt. Baker. Ein hügeliger Landstrich, der sich abhebt von der Kette der Porongurup-Berge am Horizont.
Die Weingebiete im kühlen Süden Westaustraliens wurden zum Großteil erst in den Fünfzigerjahren erschlossen. Hier im Cool Climate Westaustraliens können neben komplexen Roten auch faszinierende Weißweine wachsen. Vor allem aus jener Sorte, die man hier nie vermuten würde: Riesling. Die Kühle der Nacht und Brisen vom Ozean bewahren die Frische der Frucht in den Beeren, ohne die Weißwein schnell plump schmeckt. Von Mt. Baker sind es etwa hundert Meilen bis nach Frankland River, der nächsten Cool-Climate-Weinregion. Frankland ist stark bewaldet und hügelig. Uralte Eukalyptus- und Jarrahbäume wachsen hier. Vor hundert Jahren war noch alles bewaldet. Doch der Wald schrumpft, was katastrophal ist, denn die Bäume filtrieren den Salzgehalt des Meeres. Die Versalzung des Bodens ist eine Folge dieses Raubbaus. Viele Weingüter pflegen daher ihren Baumbestand, den sie um die Estates, die Weingüter, erhalten.
Westaustralien gilt als exotisches Weingebiet. Ein Nischengebiet, was den Gesamtanteil an der Menge australischer Weinproduktion betrifft. Nur fünf Prozent aller australischen Weine wachsen dort. Aber die Menge sagt wenig über die Qualität eines Weins aus. Und so ist es kein Wunder, dass ein Großteil der besten australischen Weine aus Westaustralien kommt. Die bei uns noch unbekannten Weine aus dem kühlen Westen sind oft sehr individuell geprägt. Es gibt eine ganze Reihe individueller Weinmacher.
Auch in Südaustralien gibt es Weingüter, die einen individuellen Weinstil pflegen. Dazu gehört etwa Henschke im Barossa Valley. Doch der Süden wird vor allem mit Konzernen wie Peter Lehmann oder Penfolds aus Barossa assoziiert. Sie stehen für einen beliebigen und marmeladigen Weinstil, der die Märkte weltweit überschüttet. Es sind genormte Industrieweine, sie spielen eine traurige Rolle bei der Globalisierung des Weingeschmacks. Am Computer werden weich gespülte Weine konzipiert, die unsere Sinne nicht schärfen, sondern betäuben. Ein Shiraz aus der Traumfabrik schmeckt oft nach Brombeermarmelade und Schokoriegel, gleich aus welcher Region die Trauben stammen.
Aber wo Schatten fällt, ist auch Licht. In Australien gibt es immer mehr Winzer, die nach einem anderen und mühevolleren Weg suchen. Sie misstrauen der Technik, vertrauen und achten die Natur, statt sie zu zerstören. Diese Gegenbewegung formiert sich, und viele dieser anderen Weine kommen aus dem einsamen Süden Westaustraliens.
Ein ungewöhnlicher Spitzenbetrieb Westaustraliens liegt in der Weinregion Margret River. Dort herrscht mediterranes Klima. Wayne und Kaye Nobbs haben 1994 ihr Weingut „Settlers Ridge“ gegründet. Von Anbeginn setzten sie auf „Fully Organic Wines“. Und sie haben die uralten Baumbestände auf ihrem Weingut erhalten. In Australien gibt es kaum Weingüter, die ökologische Weine produzieren. Also wurden die Nobbs belächelt. Aber nicht lange. Ihr 1999er Settlers Ridge vereint Wucht mit Tiefgründigkeit und Komplexität. Er wirkt ebenso heftig wie faszinierend.
Auch das Frankland Estate ist ein Vorreiter. Ende der Achtzigerjahre haben Judi Cullam und Barrie Smith das Gut gegründet. Geradezu aufregend sind die Rieslinge von Frankland. Und zwar weil sie eine vollkommen eigene geschmackliche Welt darstellen. Sie schmecken anders als das, was wir gewöhnlich mit australischem Wein verbinden. Der 2000er Riesling Isolation Ridge überrascht mit einer Tiefe und kraftvollen Mineralität, die vollkommen eigenständig ist. Vergleiche mit der Wachau oder dem Elsass hinken daher. Dieser Riesling entwickelt am Gaumen eine herbe, authentische Anmut. Auch der Toprotwein von Frankland, der Isolation Ridge Shiraz, ist beseelt von dunkler Wucht und Eleganz. Es ist kein alkohollastiger Roter, sondern ein Feiner. Seine 15 Alkoholprozent spürt man kaum, weil sie in einem harmonischen Ganzen aufgehen. Voll ausgereifte Beeren führen bei trockenen Weinen nun mal zu höheren Alkoholwerten. Letztlich ist das auch ein authentischer Ausdruck des australischen Kontinents. Solche Weine zu erleben bedeutet, eine unbekannte Seite Australiens geschmacklich zu entdecken. Ohne Klischees.
Settlers Ridge, Organic Wines bei „Australien Wine Store“. auf der Weinmesse Rathaus Schöneberg, Stand 1–9 (Forum im Ergeschoss). Tel. (0 61 95) 90 21 69 www.iappi.net Frankland Estate bei „Wein & Glas“, 10717 Berlin, Prinzregentenstr. 2, Tel. (0 30) 2 35 15 20. Dort findet vom 14. bis 19. März eine Frankland-Estate-Weinprobe statt
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