WAS MACHT EIGENTLICH ...Karl Lagerfeld?: Findet Berlin wie ausgelatschte Klamotten
Karl „der Große“ Lagerfeld wäre nicht Lagerfeld, würde er gerade in Zeiten, in denen manche Modezaren gefährlich leben – siehe „Mosi“ –, nicht provozieren. Lagerfeld hat Berlin angemacht, angepöbelt, beschimpft, wie die Gazetten aufgeregt herausposaunten am Sonntag. Klar, der Mann mit Sonnenbrille, dem berühmten Zöpfchen samt Schnodderklappe steht mehr auf Mailand, Paris, London und sogar Düsseldorf, den Klassikerstädten in der Welt der Haute Couture.
Doch warum er sooo stänkert über die Spreemetropole, deren Bewohner sich in den letzten Wochen wegen seiner H&M-Plakataktion mit feschen Mädels nächtens gar als Souvenirjäger betätigten, bleibt ein Rätsel. Darum kommen wir erst mal zu den knalleng geschnittenen Fakten: Ein Modestandort Berlin gibt es nach Meinung Karls des Großen nicht. Die Stadt ist wie ein abgehalftertes Modell in total aus der Mode gelatschten Klamotten, ohne Geld und alles. Und schlimmer noch: „Ich sehe da nichts. Ich höre nur noch Leute, die da weggehen, die sagen, da ist nichts los, da verliert man seine Zeit.“
Ein „böses“ Urteil, schimpft nicht ganz zu Unrecht Bild. Unverständlich ist die Attacke zudem: Berlin ist zwar modemäßig nicht Mailand oder London, aber bekannt für seine experimentierfreudigen Labels. Das müsste doch den Gott des Laufstegs freuen, geht es hier schließlich zu wie einst in Lagerfelds wilden Pariser Jahren, wohin der Sohn aus dem Hause „Bärenmarke“ sich aufgemacht hatte. Vielleicht ist ein Grund für den Pöbelangriff dieser: Moden-Karl ist jetzt 66 und hat genug von einer aufgeregten Scene. Zopf, Fächer, enger Anzug, Figur und Gesichtshaut-Tonus sind nach wie vor okay. Aber zugleich liebt er es gemütlicher, H&M-mäßiger. Das wäre in der Modesprache ausgedrückt: langweilig – die Höchststrafe für Couturiers. ROLA FOTO: AP
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