: Chef einer ökologischen Splitterpartei
Die französischen Grünen wählen mit Yann Wehrling einen Kompromisskandidaten zum neuen nationalen Sekretär
Als „zweite Wahl von fast allen“ bezeichnen strenge Mitglieder aus den Reihen der französischen Grünen, Les Verts, ihren neuen nationalen Sekretär. Als einen, der „niemanden in den Schatten stellt“. Yann Wehrling widerspricht nicht grundsätzlich. Er selbst nennt sich „kleinster gemeinsamer Nenner“.
Der 33-jährige und damit jüngste Chef von Les Verts ist am Sonntagabend, nach dem üblichen wochenlangen Psychodrama, das sich seine Partei bei Führungswechseln leistet, im zweiten Anlauf mit knapp 63 Prozent der Stimmen zum Chef für zwei Jahre gewählt worden. Er löst den glücklosen Parteichef Gilles Lemaire ab, der es weder geschafft hat, den Mitgliederschwund von Les Verts zu stoppen, noch der von Flügelkämpfen zerrissenen Oppositionspartei eine erkennbare Politik zu geben.
Anders als sein Vorgänger ist Wehrling ein reines Produkt der Grünen. Mit 17 wurde er Mitglied der Partei. Aus Tierliebe. Schnell machte er Karriere im Apparat der Jugendorganisation von Les Verts. Nachdem er sie mehrere Jahre geleitet hatte, wechselte er ins Europaparlament über, wo er seit 1999 als Assistent eines französischen grünen Abgeordneten arbeitet. Außerhalb der Parteiinstanzen ist Wehrling nie irgendwo gewählt worden.
Straßburg ist der bisherige Hauptschauplatz im Leben des Buchhändlersohns. Dort hat er auch als Illustrator an zahlreichen regionalistischen Publikationen mitgewirkt. Parteiintern gilt er als „typisch rheinisches Produkt“ – was so viel bedeutet wie: Er ist ein Mann des Kompromisses. Besonders tauglich für die Moderation an der Spitze der konfliktreichen grünen Partei macht ihn nach Ansicht von elsässischen Parteifreunden sein freundlicher Umgangston.
In der Europapolitik freilich hat Wehrling Überzeugungen. So plädiert er ohne Wenn und Aber für ein Ja zu dem Verfassungsvertrag, zu dem die Partei im Februar ihre Position bestimmen will. Nach dem Verfassungsreferendum, das in Frankreich voraussichtlich im Frühsommer stattfinden wird, stehen Wehrling Gespräche mit der PS bevor. Die große Partei bietet Les Verts bereits einen Zusammenarbeitsvertrag für die nächsten nationalen Urnengänge im Jahr 2007 an. Wehrling will das annehmen. Vorausgesetzt, die PS „garantiert eine gewisse Zahl von Abgeordneten“.
Gegenwärtig führen Les Verts das Dasein einer Splitterpartei. Das Ende der 90er-Jahre selbst gesteckte Ziel von 10.000 Mitglieder hat die Partei nie erreicht. Und inzwischen geht die Mitgliederkurve steil nach unten. Selbst bei typisch „grünen“ Themen, wie der Erneuerung des Reaktorparks in dem Land, das schon jetzt die höchste AKW-Dichte der Welt hat, ist ihre Stimme kaum hörbar. Im Parlament hat sie seit dem Ende der rot-rosa-grünen Regierung im Sommer 2002 nur noch drei Abgeordnete und keinen Fraktionsstatus. Allein in der Großstadt Paris machen grüne Politiker, die mit im Stadtrat sitzen, gegenwärtig von sich reden.
DOROTHEA HAHN
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