: Die Hymne von Robben Island
Der Pianist Abdullah Ibrahim, einer der wichtigsten Jazzmusiker Südafrikas, kommt zur Deutschland-Tournee
Als er einst durch die Rotlichtbezirke Kapstadts irrte, um von den gerade angekommenen Matrosen die neuesten amerikanischen Jazzplatten zu ersteigern, waren seine Hosentaschen mit Dollarscheinen gefüllt. Damals hieß er noch Dollar Brand. Erst später, im amerikanischen Exil, konvertierte er zum Islam und nannte sich Abdullah Ibrahim.
Als Duke Ellington den jungen Pianisten Mitte der Sechzigerjahre entdeckte, avancierte dieser schnell zum profiliertesten südafrikanischen Jazzmusiker – im Exil. Als er sich für den bewaffneten Kampf aussprach, wurde ihm die Staatsbürgerschaft aberkannt. Mit seiner Familie wohnte er über 20 Jahre lang im New Yorker Chelsea Hotel, und als musikalischer ANC-Botschafter war Ibrahim auf den großen Bühnen des Jazz präsent. Eine seiner schönsten Platten heißt „Duet“ – Ende der Siebzigerjahre zusammen mit dem Saxofonisten Archie Shepp aufgenommen. Shepp schrieb dafür den Titel „Barefoot Boy from Queenstown“, ein Stück für den südafrikanischen Jazzmusiker Mongezi, der jung im Londoner Exil starb.
„Diese Musiker waren noch so unerfahren, sie hatten keine richtige Schulausbildung und waren überhaupt nicht auf das Exil vorbereitet. Man bot ihnen in London Stipendien an – aber was hätten sie damit anfangen sollen? Ihnen fehlte elementares Wissen“, sagt Ibrahim. Mit der Verschärfung der Apartheid, die 1963 auch das Verbot gemischter Musikgruppen zur Folge hatte, waren auch die „Blue Notes“ gezwungen worden, Südafrika zu verlassen. Die Band hatte damals das nationale Jazzfestival in Johannesburg gewonnen: Chris McGregor, der als Weißer ins Gefängnis musste, weil er mit Schwarzen zusammenspielte, Johnny Dyani, Dudu Pakwana, Mongezi Feza und Louis Moholo. Moholo, der gerade nach Südafrika zurückkehrte, ist heute der einzige Überlebende der Band. Die anderen seien im Exil an gebrochenem Herzen und verletzter Seele gestorben.
„Das Leben eines Jazzmusikers ist extrem hart“, sagt Ibrahim. „Man verdient kaum Geld, man trinkt, Drogen sind zugänglich, und ist man erst mal in die Falle gegangen, kommt man da kaum wieder raus. Wer keine Bildung hat, unterschreibt Verträge, die er nicht versteht. Keiner hilft einem in diesem Dschungel.“ Heute bemüht sich Ibrahim darum, den jungen Musikern in seiner südafrikanischen Heimat Impulse zu geben, damit sie selbstbewusst eine eigenständige Szene aufbauen. Infrastruktur, Ausbildung und Austausch sollen die frappierendsten Mängel wettmachen.
Auf der im Berliner Haus der Kulturen der Welt aufgenommenen Live-CD „African Magic“ (Enja) hört man sehr gut, wie Ibrahim das Publikum in den Bann seiner Soundwelt zu ziehen vermag. Mit wunderschönen Grooves und Melodien, die einem ad hoc das Gefühl geben, sich darin auszukennen. Bei Ibrahim gibt es eine musikalische Grundstimmung, die klarer und unmittelbarer als die gesprochene Sprache scheint. „1971 loderten in Südafrika die Flammen der Revolution und des Aufstands gegen das Unrecht des Apartheidregimes. In dieser Zeit arbeitete ich intensiv an einer großen Komposition und nannte sie ,Peace‘ “, berichtet der heute 70-Jährige. „Nelson Mandela, der seit 1964 auf Robben Island im Gefängnis saß, gelang es, dass ‚Peace‘ regelmäßig über die Sprechanlage von Robben Island ausgestrahlt wurde und so zur Konfliktlösung unter den verschiedenen Gefangenengruppen beitrug. Im Jahre 2002 spielte ich ‚Peace‘ dann in einem Solokonzert in Johannesburg, bei dem mehrere afrikanische und nichtafrikanische Staatsoberhäupter zugegen waren. Der Konzertveranstalter Tokyo Sexwale erinnerte das Publikum an die große historische Bedeutung, die diese Komposition für ihn und seine damaligen Mithäftlinge im Gefängnis Robben Island gehabt habe und bis heute habe.“
Da schwarze Musiker während der Apartheid keine Rechte hatten, erhielten sie auch keine Tantiemen. Ibrahim nennt „Mbube“, eine Komposition des Südafrikaners Solomon Linda, die später in den USA unter dem Titel „The Lion Sleeps Tonight“ zu einem der bekanntesten Popsongs der Musikgeschichte wurde – doch als Linda starb, hatte er gerade mal 25 Dollar auf seinem Konto. „Seine Familie lebt in extremer Armut. Unsere Anwälte haben Disney verklagt, weil sie das Stück im ‚König der Löwen‘ verwenden, ohne Tantiemen zu zahlen“, sagt Ibrahim. Es sei ein zäher Kampf. CHRISTIAN BROECKING
25. 1. München, 2. 2. Wien, 4. 2. Frankfurt/Main, 5. 2. Stuttgart, 8. 2. Hamburg, 9. 2. Berlin, 10. 2. Düsseldorf
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