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PRESS-SCHLAGHymne auf das Spiel

War das jetzt ein richtiges Länderspiel? Darf der Deutsche Fußballbund das Spiel überhaupt in seine Statistik aufnehmen? Müssen die vier Tore, die Mario Gomez erzielt hat, aus allen Wertungen gestrichen werden? Die deutsche Fußballnationalmannschaft hat am Dienstagabend in Dubai ein Spiel gegen die Mannschaft der Vereinigten Arabischen Emirate bestritten, ohne dass zuvor die Nationalhymnen abgespielt worden waren. Eine technische Panne war schuld. Deutschland spielt und keiner besingt Einigkeit und Recht und Freiheit. War doch eigentlich gar nicht schlimm. Und die Deutschen haben auch noch gewonnen, mit 7:2 sogar, obwohl sie in Testspielen sonst eigentlich nie überzeugen.

Heimspiele der DFB-Auswahl werden seit einiger Zeit wie nationale Weihefestivitäten inszeniert. Riesige Fahnen werden vor dem Spiel auf dem Rasen ausgelegt. Fahnenschwenker marschieren vor den Kurven auf und bringen schwarz-rot-goldenen Stoff zum Flattern. Dann sagt der Stadionsprecher: „Wir erheben uns nun und singen gemeinsam die deutsche Nationalhymne.“ Damit auch die Fans der Gästemannschaften mitsingen können, werden die Anzeigetafeln zum Karaoke-Automaten und der Text des Deutschlandliedes läuft über die riesigen Bildschirme. Die Hymnen sind der Höhepunkt einer Inszenierung, die ein Fußballspiel zum Wettkampf zweier Nationen aufwertet. Muss das sein?

Sepp Blatter, der auf diesen Seiten so oft geschmähte Präsident des internationalen Fußballverbandes Fifa, findet das nicht. Nach dem Qualifikationsspiel für die WM 2006 zwischen der Türkei und der Schweiz war es zu einer wahren Schlacht gekommen, in der Fans Fans, Fans Spieler und Spieler Spieler prügelten. Begonnen hatte die Auseinandersetzung schon vor dem Spiel, als die Anhänger der Teams die Hymne des jeweils anderen Landes durch Pfeifen und Johlen zu übertönen versuchten. Blatter damals: „Ich frage mich, ob es überhaupt noch Sinn macht, Nationalhymnen abzuspielen.“

Recht hat der Mann – in diesem Fall. Macht Länderspiele zu dem, was sie sind: zu sportlichen Begegnungen! Und wenn ein Debütant für die deutsche Nationalmannschaft, statt den Text der Nationalhymne auswendig zu lernen („Trainer, was ist eigentlich ein Unterpfand?“), Taktiktafeln studiert, dann dürfte das dem Spiel mehr zugutekommen als ein fehlerfrei in die Kamera gegröltes Deutschlandlied.

ANDREAS RÜTTENAUER

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