: Banjos made in Saba
Alvin „Buck“ Caines hat sein Leben lang Banjos gebaut. Seine Zeit verbringt er zwischen seiner Stammkneipe „Swinging Doors“ und dem Hof hinter seinem Haus. Hier lässt der 78-Jährige Span für Span die Musikinstrumente entstehen. Ein Porträt
VON HANS-ULRICH DILLMANN
Wer viel reist, träumt von kleinem Gepäck. Kompakt, wenig Raum einnehmend und vor allem leicht. Alvin „Buck“ Caines hat dies für sein Musikinstrument perfekt gelöst. Virtuos lässt er seine Finger an den stählernen Saiten seines Banjos zupfen, das gerade mal 50 Zentimeter in seiner Länge misst, der Hohlkörper hat einen Durchmesser von knapp 20 Zentimetern. Aber „Buck“ – wie ihn alle auf dem zu den Niederländischen Antillen gehörenden Eiland Saba nennen – würde nie ein Markeninstrument erstehen oder gar eins bei den bekannten Banjobauern der Welt in Auftrag geben.
Caines ist 78 Jahre alt und hat sein Leben lang sein eigenes Banjo gebaut. „Wenn mir ein Banjo kaputtgegangen ist, dann habe ich mir halt ein neues gemacht“, sagt er. Er ist zwar nicht viel gereist, wie so manche Musikkollegen von ihm, aber auf den so genannten SSS-Inseln ist er herumgekommen. Die drei Inseln Sint Maarten, Saba und Sint Eustatius gehören zu den Niederländischen Antillen. Auf der zweigrößten, Sint Eustatius, wurde Buck 1926 geboren. Schon in frühen Jahren begann er Banjo in einer Gruppe zu spielen. Die traditionellen Musikgruppen auf der heute knapp 3.000 EinwohnerInnen zählenden ehemaligen Vulkaninsel bestehen aus fünf Personen. Hippie-Bands heißen sie. Warum? Diese Frage kann in Statia, wie die Anwohner die Insel nur kurz nennen, niemand beantworten. „Die Gruppen wurden halt immer so genannt.“
Ein Musiker gibt mit dem Pipe – Pfeife – genannten lang gestreckten, kupfernen Leitungsrohr trötend den Takt an. Dazu gehören eine kleine Querflöte (Fife), ein kleines Tenorbanjo, eine weiteres, größeres Bassbanjo sowie eine Gitarre zur instrumentalen Ausrüstung. So war es über viele Jahrzehnte, nachdem die Insel die Drehscheibe des Karibikhandels mit Europa war und ihr den Namen der „goldene Stein“ eingebracht hat. Und so ist es heute noch, wenn in Statia zum Tanz aufgespielt wird. Das Quintett mit Alvin alias Buck zog als Hippie-Band von Kneipe zu Kneipe, von Hochzeit zu Hochzeit – Geburtstagsfeste und Feiertage, das war ihr Zuhause. Und da die Welt auf Sint Eustatius klein ist, spielte man auch schon mal auf den Nachbarinseln auf. Heute keine 15 Flugminuten entfernt. Damals, wenn auch in Sichtweite, doch fast eine „Weltreise“ mit dem Boot. So lernte Buck in The Button, wie die Verwaltungshauptstadt von Saba heißt, seine Elfriede kennen und lieben. „Seit 58 Jahren lebe ich jetzt mit ihr in Windwardside, wir haben acht Kinder.“ Von seinem Haus aus muss er nur eine kleine Anhöhe hinaufklettern, dann sieht in der Ferne seine Geburtsinsel.
Jetzt sitzt Buck an der Theke der „Swinging Doors“, einer urigen Kneipe im Zentrum von Windwardside, einer der vier Orte, die Saba hat. Jeden Tag kommt er in die Kneipe mit den Schwingtüren, um sich sein eiskaltes Bier aus der Flasche zu gönnen. „Manchmal ist es auch eins mehr“, sagt er lachend. „Was soll ein alter Mann sonst noch machen?“
Wenn er nicht in „Swinging Doors“ sitzt, findet man den Banjo-Musiker hinter seinem Haus. Sein von Falten durchfurchtes Gesicht schützt eine Baseballkappe vor der Sonne, im Mundwinkel steckt eine Zigarette. Von weitem hört man schon das Hämmern auf dem Stechbeitel. Span für Span wird aus dem Baumstück herausgehoben, bis nur noch ein etwa acht Millimeter breiter Rand des Hohlkörpers übrig bleibt. Das Bauen des Banjos hat er noch auf Statia gelernt. In Oranjestad, der dortigen Hauptstadt, schaute er einem alten Mann über die Schulter, „der die Banjos für die Hippie-Bands baute“. Als ihm sein Banjo später dann kaputtging, erinnerte sich „Buck“ an seinen Lehrmeister aus Kinderzeiten.
Anfänglich nutzte er das Holz der weißen Zeder, die auf dem Mount Scenery, dem „höchsten Berg der Niederlande“, wächst, um den Klangkörper herzustellen. „Ich ging auf den Berg und suchte mir den richtigen Baum mit der notwendigen Stärke aus, fällte ihn und schnitt mir das Stück zurecht.“ Vier bis sechs Wochen lässt Buck dann das Holz trocknen. „Alles hängt davon ab, wie nass das Holzstück ist und wie viel Harz drin ist“, erklärt er beim dritten Bier. Inzwischen nutzt er nur nach das Holz des „Mountain Mahogany“-Baumes. Darüber zieht er denn die bearbeitete Haut eines Kaninchenfells, „das ist dünn genug. Oder die Lederhaut von einem Zicklein. Ziegenleder ist zu dick“, findet er. Das Fell bereitet er selbst vor, trocknet es aufgespannt und wässert es, bevor er es im nassen Zustand aufzieht. „Es muss fast transparent sein.“ Aus einem Aluminiumblech schlägt er dann einen Flachring heraus, der genau die Größe des Banjokörpers haben muss. Damit befestigt er das Leder mit Dachlattennägeln auf dem Holzhohlkörper. Aus Pechkiefern fertigt er auch das Griffbrett und den Hals für sein Recycling-Banjo und verklebt die Teile. Vorsichtig schneidet er schließlich zwölf Vertiefungen hinein, die er mit einem dicken kupfernen Telefondraht auslegt. „Das muss genau passen und vor allem müssen die zwölf Stege auf gleiches Niveau gebracht werden“, sagt Buck, „sonst gibt es Stimmprobleme.“
Sobald er den Schaft befestigt hat, wird der Kopf mit seinen vier Stellschrauben angebracht und die Saiten gezogen. „Und“, fragt er schließlich verschmitzt auf den Übergang zwischen Hals und Kopf zeigend, „woraus ist das gemacht?“. Über die Unkenntnis des Besuchers freut sich der Endsiebziger. Er benutzt Ziegenknochen, in die vier Einschnitte gesägt sind, als Führung für die Stahlsaiten.
„Außer der Stellschrauben habe ich immer alles selbst gemacht“, sagt Buck, während die Wirtin der „Schwingenden Türen“ ihm ein weiteres Bier hinstellt. „Hunderte Banjos habe ich schon gemacht. Aber ich stelle auch Ukulelen und Gitarren her, die ich selbst spiele. Dafür brauche ich mehr als nur zwei Wochen. Aber ich habe Zeit. Hier auf der Insel passiert eh nicht sehr viel.“
Inzwischen kann man in den wenigen Souvenir-Shops von „Sayba“, wie die Insel lautsprachig von ihren Bewohnern genannt wird, Banjos von Alvin Buck Caines käuflich erwerben. Aber eigentlich ist ihm der Rummel, der um ihn gemacht wird, eher unangenehm. Er mache die Musikinstrumente hauptsächlich für sich. „Wenn eines fertig ist, dann freue ich mich jedes Mal, dass ich mich noch daran erinnere, wie es der alte Mann damals auf meiner Heimatinsel gemacht hat.“
Derzeit hat der Recycle-Banjo-Bauer fünf halbfertige Banjos im Hause. Bei dem einen muss noch der Hals angesetzt und die Haut aufgespannt werden, ein anderes hat bereits seinen Hals und sein feines, transparentes Leder drauf. „Hörst du den Klang, genau richtig. So muss es klingen“, sagt er, fachmännisch mit den Fingern auf die Haut klopfend. Dazu hat er schon sieben Banjokörper ausgehöhlt hat.
250 Antillengulden, rund 115 Euro, verlangt er für seine handgefertigten Banjos. Wer sich mit ihm in Kontakt setzen will, kann an Alvin „Buck“ Caines in Windwardside, Saba, N.A. schreiben. Oder einfach für einen Urlaub nach Saba auf den Niederländischen Antillen fliegen. Ab elf Uhr morgens kann man Buck in der „Swinging Doors“ treffen oder wenn er nicht dort sein sollte, einfach an der Theke fragen. „Buck“ kommt sofort oder ein paar Minuten später, schließlich muss er manchmal auch in die Berge, um wieder Holz für seine Banjos zu schlagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen