piwik no script img

Der erste Braumeister Deutschlands

Nach seinem Geschmack trinken die Deutschen sicher zu wenig Bier: Fritz Brinkhoff muss umziehen

Fritz Brinkhoff ist ein stattlicher Mann in den besten Jahren mit Bauch und Bart. Mit Kaiserbart, um genau zu sein, denn der Herr lebte ab 1874. Gut hundert Jahre später erstand der Braumeister Brinkhoff wieder auf und zierte mit Schürze Millionen von Bierflaschen der nach ihm benannten Marke Brinkhoff’s No. 1. Den großen Bahnhof gab es 2002: Zu Ehren ihres ersten Braumeisters Fritz Brinkhoff wurde aus der Dortmunder Union-Ritter Brauerei die Brauerei Brinkhoff und mit dem gleichnamigen Gebräu umfänglichst begossen. Schließlich hatte Brinkhoff Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Dortmunder Hellen einen neuen Biertyp geschaffen, der noch vor der heute dominierenden Pilsener-Brauart die Kneipen eroberte und die Kohle- und Stahlstadt zu Deutschlands Bierstadt Nummer 1 machte. Noch vor den Münchnern – und ihrem Labberbier.

Doch nächstes Jahr ist Schluss mit Brinkhoffs Brauerei. Die zum Oetker-Lebensmittelriesen gehörende Radeberger-Gruppe macht den Laden dicht. Denn der deutsche Biermarkt läuft über. Dabei gab es längst heftigste Konzentrationen im Braugeschäft – von sechs Brauereien in den Achtzigerjahren sind in Dortmund gerade mal zwei übrig geblieben. Auch die könnten noch immer doppelt so viel Bier herstellen wie aktuell abzusetzen ist. Insgesamt rund 105 Millionen Hektoliter wurden 2003 in ganz Deutschland gebraut – gut zehn Millionen Hektoliter weniger als zehn Jahre zuvor. Durst war aber nur auf 97 Millionen Hektoliter, macht 243 Halbliterflaschen pro Einwohner im Jahr.

Vor allem die kleinen und mittleren Brauereien stehen seit Jahren unter Druck – oder sind schon längst von internationalen Großkonzernen geschluckt. Der Verbraucher merkt davon nur wenig: Die einzelnen Biermarken bleiben fast immer bestehen. Und so können „Männer wie wir“ auch heute noch ihr „Wicküler Bier“ trinken – mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass die Wuppertaler Traditionsmarke schon seit Jahren aus Dortmund kommt.

Und natürlich gibt es auch weiterhin Brinkhoff’s No. 1: Die Marke zieht um zum früheren Erzkonkurrenten DAB. Der gehört praktischerweise auch zu Oetker und hat in den vergangenen Jahren vier weitere Dortmunder Brauereien geschluckt. Auch wenn der Bierausstoß sinkt: Die Kapazität für Verschwörungstheorien, dass da nur eine Plörre gebraut und bloß unter den vielfältigsten Marken unters Volk gebracht wird, scheint unbegrenzt.

Doch schon zu Brinkhoffs Zeiten war es mit der in der Bierwerbung gern bemühten Gemütlichkeit nicht mehr weit her. Der junge Braumeister, hierin ganz modern, ließ sich schon Ende des 19. Jahrhunderts laut Firmenchronik nicht nur ein Gehalt von „monatlich 100 Talern mit freier Wohnung, Brand und Licht“ bezahlen. Er handelte auch das „Kassmännchen“ aus, das ihn mit 25 Pfennigen am Umsatz jedes Hektoliters beteiligte, der seinen Braukessel verließ. Früher konnte man so Millionär werden. STEFFEN GRIMBERG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen