Katholen verkaufen an Protestanten

INSOLVENZGEFAHR Die katholische Caritas hat fünf ihrer Altenheime in Niedersachsen an das evangelische Johannesstift verkauft. Die Caritas will so die von der Insolvenz bedrohten Einrichtungen retten

Aus katholisch wird evangelisch: Die Caritas in Niedersachsen sieht sich gezwungen, fünf vor der Insolvenz stehende Altenheime in Hannover an das evangelische Johannesstift in Berlin zu verkaufen. „Dies ist in diesem Umfang einzigartig“, sagte Diözesan-Caritasdirektor Hans Jürgen Marcus am Montag in Hannover. Grund seien die im Vergleich zu privaten Heimbetreibern hohen Löhne der Caritas sowie die sehr niedrigen Pflegesätze in Niedersachsen. „Hannover ist nur die Spitze des Eisbergs. Viele andere Caritas-Einrichtungen in Niedersachsen haben dasselbe Problem.“ Die 580 Beschäftigten müssen sich nun mit zehn bis zwölf Prozent niedrigeren Löhnen abfinden.

Sorge, dass der katholische Pfarrer nun von seinem protestantischen Kollegen verdrängt wird, müssen die Bewohner aber nicht haben. Bereits jetzt betreuten Geistliche beider Konfessionen die Bewohner, erklärte die Caritas. Auch wenn viele Katholiken die Caritas-Heime wählten, sei die Mehrheit – wie der Bevölkerungsdurchschnitt in Hannover – evangelisch. Nun gehe es darum, die Altenpflege in ökumenischem Geist weiterzubetreiben, sagte Marcus. „Es wird nicht einfach das Namensschild gewechselt.“ Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle trage den Wechsel mit, auch wenn er bedauere, dass die Caritas vor der Situation habe kapitulieren müssen.

In einer landesweiten Kampagne hatte die Caritas im vergangenen Jahr bereits auf die bedrohliche Situation der niedersächsischen Pflegeeinrichtungen hingewiesen. Die Pflegesätze liegen rund 20 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Die fünf betroffenen Heime, denen im laufenden Jahr ein Minus von 1,9 Millionen Euro droht, könnten mit den Pflegesätzen etwa von Nordrhein-Westfalen zwei Millionen Euro Überschuss erwirtschaften, sagte Marcus.

Die Caritas-Beschäftigten der Heime hatten 2008 bereits auf Teile ihres Lohnes verzichtet. Außerdem hatte das Bistum eine ausgehandelte Lohnerhöhung zunächst ausgesetzt, dann in der Hoffnung auf eine Lösung der Finanzprobleme aber doch gezahlt.

„Wenn wir einen Mindestlohn in vernünftiger Höhe bekommen, haben es unsere Billiglohnkonkurrenten schwerer“, sagte Marcus. Derzeit zahlten private Mitbewerber bis zu 35 Prozent weniger. „Ich möchte, dass das Personal in der Pflege nicht weniger verdient als die Leute, die bei meinem Auto die Reifen wechseln“, forderte der Caritasdirektor. Aussicht auf die Anhebung der Pflegesätze in Niedersachsen bietet ein Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts vom Januar. Ihm zufolge soll die Zahlung von Tariflöhnen und ortsüblichen Gehältern bei der Bestimmung der Pflegesätze künftig eine größere Rolle spielen. (dpa)