piwik no script img

Hammermäßige Diskos

Früh übt sich, was ein guter Pauschalurlauber werden will: zum Beispiel im Club Guitart im spanischen Lloret de Mar. Wichtig für den Urlaubserfolg ist für die Jugendlichen der Teamer. Und die Party

VON STEPHAN LENNARTZ

„Night of the Proms“ – in goldenen Lettern prangt das Motto auf der blauen Rückwand der Open-Air-Bühne. Auch ein roter Teppich verspricht ein besonderes Erlebnis an diesem Freitagabend im Club Guitart. 132 junge Frauen und Männer zwischen 16 und 21 Jahren machen in der Ferienanlage im spanischen Lloret de Mar Urlaub, viele reisen morgen ab. Da ist es gut, wenn „Proms“ den Abschied versüßen – unter anderem Sheryl Crow, die No Angels und der Altmeister des Entertainments, Frank Sinatra. Den gibt der 27-jährige Chefreiseleiter Jens persönlich, in dunklem Anzug, weißem Hemd und rosa Krawatte und mit schmeichelnder Stimme. Doch auch viele Gäste kommen an diesem warmen Sommerabend zum Einsatz, im Ballett des Frankfurter Staatstheaters, bei einer Rap-Nummer oder beim Synchronschwimmen im Pool neben der Bühne. Zum Schluss der Vorstellung tanzen alle zusammen den „Clubtanz“. Der fördert nicht nur das Zusammengehörigkeitsgefühl, sondern ist auch Ausblick auf ein weiteres Highlight des Abends: den Besuch des „Revolution“ in Lloret de Mar.

Das Revolution ist eine der vielen Diskotheken in Lloret. Die Stadt gilt als Partyhochburg an der Costa Blanca. Wer hier Urlaub macht, will keine Ruhe. Das wissen natürlich auch die Ferienmacher von RUF Jugendreisen, die den Club Guitart betreiben. Fast jeden Abend bieten sie Diskobesuche an, heute also im Revolution. Reiseleiter, Teamer genannt, begleiten die teilweise Minderjährigen auf dem Weg vom Club zur Disko und zurück. Die Sicherheit werde sehr ernst genommen, versichert Thomas Gehlen, einer der Geschäftsführer von RUF. Wie auch das Null-Toleranz-Konzept: Drogen und harte Drinks seien tabu, sonst würden die Teilnehmer nach Hause geschickt.

Kurz vor 24 Uhr drängen sich hunderte Jugendliche vor dem Tanzpalast. Allein rund sechshundert RUF-Gäste werden diese Nacht im Revolution tanzen, trinken, feiern. Mit Bob, dem Chef des Revolution, ist ein Sonderpreis vereinbart: Acht Euro Eintritt, drei Getränke inklusive. Für die Ausdauerndsten geht der Spaß bis fünf Uhr morgens. Manche holen sich hier die nötige Müdigkeit, um die anstehende Heimfahrt im Bus zu verdösen. Die dauert rund zwanzig Stunden und ist das, worauf sich die 16-jährige Carolin aus Tönisvorst nicht sehr freut. Aber insgesamt gefällt ihr der Urlaub sehr gut: „Die Teamer sind super und locker drauf. Am besten sind die Diskos, der Swimmingpool und das Sonnenbaden.“ Ihre Freundin Anika, ebenfalls sechzehn, ergänzt: „Die Diskos waren der Hammer. Toll finde ich auch die Wellnessangebote, Fußball, Poolspiele.“

Wie im Erwachsenentourismus hat sich der Cluburlaub auch bei den Jugendreisen längst etabliert. Neun Tage im Club Guitart kosteten in der vergangenen Hochsaison 485 Euro – nicht gerade wenig für den Geldbeutel eines Jugendlichen. Im Preis enthalten sind die An- und Abreise mit dem Bus, Halbpension, das Clubprogramm, die Betreuung durch die Reiseleiter und die Übernachtung im Mehrbettzimmer. „Für drei ist das Zimmer sehr klein“, findet Anika. Die Ansprüche der jungen Gäste stehen oft in Zusammenhang mit ihren sonstigen Reiseerfahrungen: Wer mit den Eltern im Urlaub stets in guten Hotels untergebracht war, hat manchmal Probleme mit einfachen Quartieren. Und „schlechter als bei McDonald’s“ dürfen die Pommes auch nicht sein.

Das Essen ist wichtig, am wichtigsten aber sind nach Einschätzung vieler Jugendreiseveranstalter die Betreuer. Im Club Guitart kümmern sich neun Teamer – Frauen wie Männer – um die jungen Gäste, mit Angeboten wie Mountainbiken oder einem Minisprachkurs „99 Worte Spanisch“. Jeder Teamer betreut außerdem eine Kleingruppe, in der regelmäßig besprochen wird, was gerade ansteht. „Teamer müssen stressresistent sein, ein dickes Fell haben und mit wenig Schlaf auskommen“, formuliert Chefreiseleiter Jens einige Anforderungen. RUF Jugendreisen gibt es seit 1981 und ist inzwischen nach eigenen Angaben Marktführer – mit rund 46.000 Gästen im Jahr und einem Umsatz von zuletzt 25 Millionen Euro. Der Jugendreiseveranstalter hat ein ausgefeiltes System der Mitarbeitersuche entwickelt: über Werbeveranstaltungen an Universitäten, Bewerbungsbögen, Kennenlerngespräche und eine fünftägige Ausbildung. Wer alles mit Erfolg absolviert, trifft sich noch an einem Wochenende mit den KollegInnen des künftigen Einsatzortes, um das Programm zu planen. Viel Geld verdienen die Teamer nicht: Mit etwas mehr als zehn Euro pro Tag fangen sie an. Je mehr Tage sie arbeiten, um so höher der Tagessatz. Damit will der Veranstalter dafür sorgen, dass genügend erfahrene Kräfte unter den etwa 1.300 Saisonmitarbeitern sind.

Meist sind es StudentInnen, die den Job machen. Lara ist Chefreiseleiterin in Tossa de Mar, wenige Kilometer von Lloret entfernt. Die 27-Jährige hat Geschichte und Katholische Theologie studiert und ist bereits zum dritten Mal für RUF in der Chefrolle. Gut hundert RUF-Gäste sind in Tossa, wo auch schon Jugendliche ab vierzehn Jahren einbuchen können. „Man muss sich schon sehr anstrengen, dass es einem hier nicht gefällt“, findet Lara.

Im letzten Teamer-Meeting vor der Abreise einer Gästegruppe bespricht sie die Details. Stefan wird das Gepäck zum Busparkplatz „shutteln“, die „Teilis“ – interne Bezeichnung für die Gäste – gehen zu Fuß. Die Abfahrt, hofft Lara, soll lustig sein. Tanz, Gesang und „Stille Post“ könnten die Wartezeit verkürzen. Für die Neuankömmlinge heißt das Motto: „Der erste Abend muss ein Knaller werden, der erste Abend wird ein Knaller. Die Teamer sind als Erste auf der Tanzfläche.“ Gerade am Anfang, findet Lara, müssen die Teamer besonders aufmerksam mit den Gästen umgehen. Die sollen einen tollen Urlaub haben und manchmal vielleicht noch mehr. „Ich habe Leute erlebt, die sind hier einen halben Meter gewachsen“, erzählt Lara. „Eine Sonderschülerin hat ein Karaoke mitgemacht und zum ersten Mal in ihrem Leben getanzt.“

Ein Karaokewettbewerb ist der Auftakt beim „HIP“ – Kürzel für „Heute ist Party“. Zu der Megaparty sammelt RUF seine Gäste in der Region einmal pro Woche in einer exklusiv angemieteten Disko. Der Ausflug kostet siebzehn Euro extra, trotzdem ist HIP für die jungen Gäste besonders hip – wie für Verena, Nicola, Jessica und Isabel, alle fünfzehn Jahre alt. Ihrem Urlaub geben sie die Note eins. Die Mädchen sind sich einig: „Das beste am Urlaub ist Anna“ – ihre Teamerin, die jetzt noch die letzten Stunden vor der Abreise mit ihnen am Strand verbringt. Kritischer sind Dominik (16), Martin (15) und Hannes (15). Sie beklagen sich über Ungeziefer im Bungalow oder den Fernseher ohne deutsches Programm. Mit ihren Teamern sind aber auch sie zufrieden.

Die Zufriedenheit der jungen Gäste ist auch für Jugendreiseveranstalter entscheidend. RUF lässt zwanzig Prozent seiner Kunden professionell befragen, bei neuen Produkten sogar alle. Das Geschäft mit Jugendlichen ist schnelllebig, neue Trends dürfen nicht verpasst werden. Im Katalog 2005 hat das Bielefelder Unternehmen erstmals eine „eigene“ Insel im Programm – das kroatische Eiland Obonjan, zwei Kilometer lang und sechshundert Meter breit, für zunächst sechshundert Gäste. Das „Event Camp“ bietet laut Katalog unter anderem ein Amphitheater mit aufwändiger Musik- und Lichtanlage, Beachbar und Inline- bzw. Skaterparcours. Doch auch hier werden die Betreuer manchmal wie anderswo auf altbekannte Angebote zurückgreifen – etwa das gemeinsame Erleben eines Sonnenaufgangs am Strand oder den Spieleabend mit „Monopoly“ und „Mensch ärgere dich nicht“.

Reiseinfos: RUF Jugendreisen, Trend Touristik GmbH, Feilenstraße 1–3, 33602 Bielefeld, Fon (05 21) 9 62 72-0, Fax (05 21) 9 62 72-27, info@ruf.de, www.ruf.de STEPHAN LENNARTZ ist Journalist und arbeitet für den WDR in Köln

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen