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Eine Visionärin – an der Praxis gescheitert

Als Chefin von Hewlett-Packard wollte Carly Fiorina alles. Und sie wollte es allein. Nun warf sie der Aufsichtsrat raus

Sie war keine Frau für Kompromisse. Und deshalb gab es für Carleton S. Fiorina am Aschermittwoch auch keine Alternative: Sie musste den Chefsessel bei Hewlett-Packard (HP) räumen. Bis zuletzt kämpfte sie darum, bei dem zweitgrößten Computerhersteller der Welt das Sagen und zwar das gesamte Sagen zu behalten. Dass die Aufsichtsräte ihr goldene Brücken bauten, damit sie freiwillig einen Teil ihrer Macht abgab, interessierte sie nicht. Als Fiorina dann mitbekam, dass die Kontrolleure ihre Kompetenzen hinter ihrem Rücken einschränken wollten, war es zu spät. Denn hier half ihr auch das letzte Mittel nicht, das sie ansonsten gern gegen ihre heftigsten Kritiker angewandt hatte – ihre Rauswürfe glichen manchmal öffentlichen Hinrichtungen.

So verwundert es nicht, dass ihr Lebenslauf nur eine Viertelstunde nach Bekanntgabe des Rücktritts aus dem elektronischen Firmenarchiv gelöscht war. Exbeschäftigte von HP, die ihren Umstrukturierungen zum Opfer gefallen waren, brauchten kaum länger, um sich in Internetforen zusammenzufinden. Erfreulich allerdings: Ihre Nachtritte richteten sich stets gegen „Carly“ herself, gegen ihren Auftritt, ihren Führungsstil – und nicht gegen sie als Frau auf einem Männerposten.

Carleton Fiorina polarisierte als Persönlichkeit. Ihr Frausein verhalf ihr dabei zwar zunächst zu einer besonderen Aufmerksamkeit. Aber die oberflächlichen Berichte, die Homestorys und Modekritiken wurden in den Medien schnell abgelöst durch eine Auseinandersetzung mit ihrer Arbeit. Ihrer Vision.

Denn die war interessant genug. Hewlett-Packard hatte sie eingestellt, damit sie den im hippen Silicon Valley zu dieser Zeit unfassbar altbacken anmutenden trägen Konzern zu einer Firma mit Zukunft umformte. Erfahrung im Computergeschäft hatte Fiorina nicht. Aber ein neues Ziel: Mit ihr sollte HP das digitale Topunternehmen werden, das „all things to all people“, neben Computern, Digitalkameras und Kopierern auch Consulting und Services anbieten konnte. Kleinere Wettbewerber wie Compaq würde man sich einverleiben, den Großen, Dell, Kodak, Xerox und IBM, die Stirn bieten.

Dabei störte sie der alte „HP way“. Die Firmenphilosophie, die für einen ethischen Kapitalismus mit gesellschaftlicher Verantwortung steht, vertrat sie zwar nach außen hin. Nach innen war sie ihr eher hinderlich. Als die Compaq-Übernahme sie nicht nur Nerven, sondern auch 15.000 Beschäftigte ihre Jobs kostete, war das für sie eine Kosten- und Zeitfrage, ebenso der einseitige Abschied von Managern, die ihr Fehler vorwarfen. Aber Fiorina wollte zu schnell zu viel und unterschätzte den Kommunikations- und Moderationsaufwand gegenüber Aktionären und Mitarbeitern.

Als Managerin ist sie nun gescheitert. Nicht jedoch als Visionärin: Wie der Aufsichtsrat gestern mitteilte, wird HP ihre Idee von einem integrierten Großkonzern weiterverfolgen – trotz gegenteiliger Ratschläge von Analysten. BEATE WILLMS

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