: Das Gesicht der Festspiele
Berlinale Star-Album (4): Julia „Sophie Scholl“ Jentsch
Luft holen. Der Radioübertragungswagen vom Wochenende hat sich verzogen. Positionswechsel. Zeitreise. Generationsgefühle.
Braune Augen. Wärme. Im gleichen Bogen geschwungen wie die Lippen. Zartrote Symmetrie.
„Wir wollten emotional klar machen, dass es um Freiheit, Menschenwürde geht.“ Marc Rothemund trägt Cap. Der Regisseur des deutschen Wettbewerbsbeitrags „Sophie Scholl“ guckt sehr ernst. Er spricht über die „dritte Generation“. Über die irgendwie um die unter dreißig. Und er spricht über das Dritte Reich. Für diese dritte Generation möchte er das Vermächtnis der Opfer des Dritten Reichs bewahren. Emotional. Zum Nachfühlen. „Wie hätte ich in so einer Situation reagiert?“ Seine Leitfrage.
Luft holen. Taschentücher rascheln. Räuspern. Schniefen. Die Musik, oh, diese Musik. Guillotine. Schwarze Leinwand. Sophie Scholl. Emotional klar gemacht. Wir dürfen uns betroffen gut fühlen. Alle ein bisschen.
Kleines, spitzes Kinn. Die Nase ein klein wenig zu groß. Das Gesicht ein wenig zu flach. Schöne Asymmetrie.
Luft holen. Ein Wagen aus der schwarzen „Phaeton“-Festival-Kolonne rast draußen an der Menschenmenge vorbei. „Keeeviiiin!“ Die Scheiben sind getönt. Kein Blick auf den Mann dahinter. Kevin Spacey in Berlin. Mit seinem Film „Beyond the Sea“, einer Hommage an den legendären US-Musiker und Entertainer Bobby Darin. „Ich wollte ihn für die nachfolgende Generation bewahren.“ Sagt Kevin Spacey. Viele Fragen.– „Hi, I’m Anastacia from MTV, the big sender in Berlin, the big city.“ – „Ahh, yep, the Big City.“
– „Do you want to become a music star, like Robbie Williams?“ – „No.“
Sagt Spacey. Festivals: „Eine schöne Sache.“ Konferenzen, Interviews: „Das Problem.“ – „Viele US-Filme wie auch Ihrer gehen gerade zurück in die 50er-/60er-Jahre. Nostalgie? – „No. Definitely not.“ – „Hatten Sie während Ihrer Karriere je eine Krise?“ – „YESSSS.“ – „Und wann und warum?“– „Well – that’s none of your business.“
Luft holen. Kevin Spacey braust davon. Vorbei an all den Fans, an den Ü-Wagen, an den Leuchtkästen.
Dieses Gesicht. Auf allen Plakaten. Übermenschengroß. Blasser, kindlicher Ernst.
Die Berlinale hat sich ihr Gesicht gegeben. Einfach so. „A new star is born“, so hat es Dieter Kosslick, leitender Berlinale-Designer, vorab bestimmt.
„Die Herausforderung war, die emotionale Entwicklung von Sophie – na ja –,“ Julia Jentsch stockt, fährt sich durch die braunen langen Haare. Wird ein bisschen rot. „Marc, willst nicht du lieber …?“
Luft holen. Der springt prompt ein. Und Julia Jentsch macht sich auf den Weg zurück nach München. Ans Theater.
Vorhang zu. SUSANNE LANG
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen