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Der Saubermann verlässt den Saustall

John Githongo, Kenias Top-Korruptionsbekämpfer, ist abgetreten und ins Exil gegangen. Reformregierung in der Krise

NAIROBI taz ■ „Die Regierung will die Korruption nicht ausrotten, weil sie zu beschäftigt ist, selbst zu klauen“, fasste ein Mann die Meinung von vielen in Kenia vor laufender Kamera eines Nachrichtensenders zusammen. Das Publikum steht vor den Mikrofonen Schlange, um seine Meinung zu sagen. Noch nie hat der Rücktritt eines Beamten so viel Aufregung verursacht.

John Githongo, Antikorruptionsbeauftragter der kenianischen Regierung, warf letzte Woche das Handtuch. Zwei Jahre lang hatte er versucht, korrupte Mitglieder der früheren und der heutigen Regierung vor Gericht zu bringen. Aber mächtige Minister im engsten Umfeld des Präsidenten Mwai Kibaki durchkreuzten das.

Für die Bevölkerung und die internationalen Geber war Githongo zum Symbol des Kampfes gegen Kenias weit verbreitete Korruption geworden, und sein Rücktritt stand daher für das Scheitern dieses Kampfes. Direkt nach seinem Rücktritt stoppten die USA die Zahlung von zwei Millionen Euro für Korruptionsbekämpfung. Der immer so diplomatische US-Botschafter William Bellamy sagte: „Wie ehrlich und beispielhaft ein Beamter auch ist, er hat keine Chance gegen eine Regierung, die korrupte Mitglieder hat.“

Justizminister Kiraitu Murungi sagte zur US-Maßnahme: „Das ist wie eine Frau zu vergewaltigen, die willig ist.“ Wütende Frauen- und Menschenrechtsorganisationen verlangten daraufhin seine Entlassung. Am Montag verfügte Präsident Kibaki eine umfassende Regierungsumbildung – aber ganz aus dem Kabinett flogen weder Murungi noch die der Korruption bezichtigten Minister. Der am meisten kritisierte Sicherheitsminister Chris Murungaru wechselte ins Verkehrsministerium.

Githongos Rücktritt kam nicht überraschend. Anfang dieses Jahres hatte der britische Botschafter Edward Clay dem Staatschef Berichte über 20 mutmaßliche Korruptionsskandale mit einem Volumen von 600 Millionen Euro überreicht. Clay hatte schon voriges Jahr gesagt, dass alle Namen von ehrlichen Regierungsmitgliedern in Kenia „auf eine Briefmarke passen“. Wenige Tage vor Githongos Rücktritt hatte er seine Vorwürfe öffentlich wiederholt. Auch vier Minister, darunter Gesundheitsministerin Charity Ngilu, haben öffentlich gesagt, dass es immer schwieriger werde, in einer mit korrupten Kollegen durchsetzten Regierung zu arbeiten. Inzwischen hat Großbritannien Einreiseverbote gegen korruptionsverdächtige kenianische Minister erlassen.

Kibaki war Ende 2002 als Führer einer Oppositionskoalition mit hohen Erwartungen zum Präsidenten gewählt worden und versprach, die Korruption und Unterdrückung seines Vorgängers Daniel arap Moi zu beenden. Die Berufung von John Githongo, Direktor der kenianischen Abteilung von Transparency International, zum Chef einer direkt dem Präsidenten unterstellten Sonderabteilung für Korruptionsbekämpfung und „gute Verwaltung“ hatte diese Erwartungen gestärkt. Die internationale Gemeinschaft, die Moi zuletzt finanziell boykottiert hatte, öffnete ihren Geldbeutel wieder ein wenig.

Aber Githongos Arbeit wurde schnell von Ministern behindert, die sein Büro aus dem Präsidialamt ins weit entfernte Justizministerium verlegen wollten. Dieser Entschluss wurde nach Protest der Geber schnell zurückgedreht. Letztes Jahr kamen verschiedene große Korruptionsskandale ans Licht, wobei der Finanzminister und der Sicherheitsminister jedenfalls die Endverantwortlichkeit trugen. Die Regierung versprach Untersuchungen, aber Ergebnisse kamen nicht. Die Minister kündigten nicht und wurden auch nicht gefeuert. Und auch das Parlament steckt voller Abgeordneter, die mehr mit sich selbst beschäftigt sind als mit ihren Wählern.

Githongo schickte seinen Rücktrittsbrief aus Großbritannien. Er spricht nicht mit den Medien und bleibt wahrscheinlich vorläufig in Europa. Von einer Rückkehr nach Kenia wurde ihm aus Sicherheitsgründen vorläufig abgeraten. Schließlich hat Kenia seit der Unabhängigkeit eine lange Geschichte umstrittener Autounfälle und Selbstmorde von Menschen, die sich mit den Regierenden überwarfen.

ILONA EVELEENS

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