: Was im Alter noch alles geht
LEBENSABEND Die Wohngemeinschaft – Alternative gegen Einsamkeit im Alter
Am Stadtrand Göttingens steht eine wunderschöne Jugendstilvilla. Vor über einhundert Jahren errichtet, mit kleinen Türmchen, Erkern und Nischen ist der verschachtelte Bau ein kleiner Schatz der Jugendstilarchitektur.
An die Villa schließt ein parkartiger Garten an, mit großen Schatten spendenden Laubbäumen. Ein Ort zum Alt werden, und tatsächlich sind die elf Wohnungen der dreistöckigen Villa meist die letzte Station der darin lebenden Menschen.
Der Verein „Freie Altenarbeit“ betreibt seit 1994 in dem Gebäude ein Wohnprojekt, in dem Senioren selbstständig in einer Wohngemeinschaft leben. Der damalige Leiter des Vereins, Michael Jasper, entwickelte vor 15 Jahren gemeinsam mit den ersten WG-Bewohnern das Konzept der selbstorganisierten Alten-WG. Credo des Gründers ist darauf aufzubauen „was alte Menschen können – und nicht darauf, was sie nicht mehr können“.
Das WG-Leben im Alter sei geprägt „von dem Versprechen der gegenseitigen Hilfe“, sagt die jetzige Leiterin Regina Meyer. Die Bewohner der zwischen 30 bis 50 Quadratmeter großen Wohnungen sind zwischen 59 und 85 Jahre alt. „Das ist auch eine große Spanne der körperlichen Leistungsfähigkeit“, sagt die Vereinsleiterin. Da sei es wichtig, auf den Anderen Acht zu geben, ihm zuzuhören oder ihn mal „mit Muskelkraft“ zu unterstützen.
„Die WG bietet die Möglichkeit, nicht aus der Gemeinschaft rauszufallen.“ Dabei ist nicht jeder für die WG geschaffen, die Bewohner wählen ihre neuen Mitbewohner selbst aus. „Mit der alternden 68er-Generation kommen immer mehr Menschen, die an diesem Wohnkonzept interessiert sind“, sagt Meyer. Jetzt einziehende Altachtundsechziger haben beim Einzug in die erste Studenten-WG wohl kaum damit gerechnet, auch den Lebensabend in diesem Gemeinschaftskonzept ausklingen zu lassen. JOSEPH VARSCHEN
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