SCHWER BEWEGLICH: Der Burka-Test
Um die Stirn herum fühlt sich die Burka eng an und das Gewicht des Stoffes lastet auf dem Kopf. Das Sichtfeld der Augen ist schmal. Um auch seitlich ausreichend zu sehen, muss ich den Kopf drehen. Als ich in der Wohnung herumlaufe, gebe ich acht, nicht anzustoßen und keinen Gegenstand umzuwerfen. Ich müsste lernen, meine Bewegungen auf die Burka einzustellen für einen sicheren Gebrauch im öffentlichen Leben.
Im Spiegel betrachte ich durch das feinmaschige Gitter hindurch, wie ich aussehe, und es sind nicht einmal meine Augen anwesend. Sie sind hinter dem filigranen Augenvorhang, der in das Sichtfeld eingearbeitet ist, verschwunden. Mir fällt die kunstvolle Verzierung aus feinsten Nadelstichen auf der blauen Seide auf, eine Stickerei, die auf Stirnhöhe umlaufend den Kopf schmückt. Ein Detail, das erstaunt.
„Streng genommen bist du nicht ordentlich bedeckt“, sagt die Frau, die mir die Burka gereicht hat. Verwundert schaue ich die gesichts- und konturenlose Figur an. Meine Hände sind unter dem Ganzkörperschleier verborgen, lange Hosen lugen unter dem Umhang hervor. „Zu viel Bein. Dir fehlt der bodenlange Rock“, sagt sie.
Ein Fotografie aus Afghanistan kommt mir in den Sinn. Ein Fotograf hatte die Perspektive einer afghanischen Frau eingenommen und durch das Burkafenster hindurch einen Blick in ihre Welt ermöglicht. Der Bildbetrachter kann durch das feinmaschige Augennetz schemenhaft eine Basarszene erkennen.
Die Burka, die ich anhabe, ist aus Kabul nach Berlin gelangt, und in ihr hängt noch der Hauch eines exquisiten Parfüms. Ob die Afghanin, die sie trug, sich schön gemacht hat, wenn sie ausging? Und ich stelle mir vor, so sichtbar unsichtbar auf einem Markt beim Einkaufen eine Vertraute vielleicht anhand der Schuhe und des Kleidersaums zu identifizieren. GUNDA SCHWANTJE
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