piwik no script img

OFF-KINOFilme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Die beste Beschreibung über das paradoxe Anliegen der Hamburger Punktruppe Die Goldenen Zitronen liefert in Peter Otts Porträt „Übriggebliebene ausgereifte Haltungen“ die ehemalige Musikjournalistin Clara Drechsler: „Die Idee ist die, dass man aus einem total unverständlichen, unvermittelbaren, total komplexen und an Winzigkeiten festgemachten Aufbegehren gleichzeitig so etwas wie Agitprop machen will, was möglichst viele Leute verstehen sollen, was möglichst viele Leute erreichen soll. Und das geht natürlich eigentlich gar nicht.“ Die Musik beschreibt sie dann noch als etwas, wo im Gegensatz zum kompakten Hardcore „an allen Enden die losen Fäden heraushängen“. Das ist ja nun unbedingt sympathisch und wahrlich nicht schlecht für eine Combo, deren Anfänge im Funpunk lagen, ehe sie selbigen schließlich als Sackgasse begriffen. In seiner Dokumentation hat Regisseur Ott die Bandgeschichte und den notwendigen Richtungswechsel der Zitronen aufgerollt: mit historischen Konzertausschnitten im Kontrast zu aktuellen Studioaufnahmen und durchaus erhellenden Interviews mit ein paar heutigen und ziemlich vielen ehemaligen Bandmitgliedern, die im Laufe der Jahre zurückgelassen wurden. (25. 6. Bar 25 Open-Air-Kino) Da Schweden am 1. Juli den Ratsvorsitz der EU übernimmt, präsentieren sich die Skandinavier mit allerlei Kulturprogrammen in Berlin, zu denen auch ein Filmmarathon mit 14 Klassikern im Arsenal gehört. Das Programm bietet einen schönen Querschnitt durch die schwedische Filmgeschichte: von Victor Sjöström, einem der bedeutendsten Regisseure der Stummfilmära, und seinen Literaturverfilmungen „Terje Vigen“ (1917; nach Ibsen) und „Körkalen“ (1921; nach Lagerlöf), über Ingmar Bergmans erstes verfilmtes Drehbuch „Hets“ (1944), der Geschichte eines sadistischen Gymnasiallehrers, bis zu den erfolgreichen Dramen von Lukas Moodysson („Fucking Åmål“, „Tilsammans“) in der Gegenwart. Natürlich darf auch eine Astrid-Lindgren-Verfilmung für Kinder nicht fehlen („Ronja Rövardotter“, 1984), und die große Ingrid Bergman ist mit dem Melodram „Intermezzo“ (1936) vertreten, dessen Remake ihr dann in Hollywood den Durchbruch bescherte. Für nur 15 Euro Eintritt 14 Filme gucken ist doch ein nahezu unschlagbares Angebot – falls man das entsprechende Sitzfleisch mitbringt. (30. 6.–1. 7. im Arsenal)

Ein Klassiker anderer Art ist zweifellos Cary Grant, ein Schauspieler, dem man selbst in seinen schwächsten Filmen noch stundenlang zusehen mag, wie er bei praktisch allen Betätigungen – vom Frauenbecircen bis zum Leichenbeseitigen – immer diesen irritiert-amüsierten Gesichtsausdruck zur Schau stellt, den er im Lauf seiner Karriere geradezu perfektioniert hat. Auch in Frank Capras absurder schwarzer Komödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ (1944) ist er hinreichend beunruhigt, als er erfährt, dass seine vermeintlich harmlosen alten Tanten einsame Herren mit vergiftetem Fruchtwein ins Jenseits befördern. (30. 6. als OmU im Freiluftkino Schwarzenberg) LARS PENNING

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen