: Achtung, Groupshow verlassen den Tanzboden und R.B.C. suchen Schutz beim Progressive Rock
In dieser an elektronischen Soundtüftlern nicht eben armen Stadt ist es wohl unvermeidlich, dass sich selbst diese eher zur Eigenbrötlerei neigenden Exemplare öfter mal über den Weg laufen. Und dann beschließen: Lasst uns doch was zusammen machen. Eine Supergroup vielleicht. Groupshow nennen Jan Jelinek, Andrew Pekler und Hanno Leichtmann ihr Projekt, mit dem sie immer mal wieder live aufgetreten sind. Manche dieser Sessions dauerten dem Vernehmen nach schon mal bis zu acht Stunden. Mit „The Martyrdom of Groupshow“ legen sie nun das erste offizielle Dokument dieser Kollaboration vor.
Das Album entstand aus Stunden von gemeinsam improvisiertem Material. Da flattert und brummt und blubbert es nun, wuschelt und wogt, dräut und dröhnt. Nur der Rhythmus, der ist auf dem langen Weg weitgehend verloren gegangen. Im Ergebnis hat man vor allem zu tun: mit Atmosphäre. In den zwar nicht end-, aber doch richtungslosen Improvisationen von Groupshow kann man sich leicht verlieren, weil es wenig bekannte Klischees gibt, an denen man sich festhalten könnte. Wenn dann doch einmal Melodien auftauchen oder gar ein Beat, so in „The Future Looks Bright? Super Bright“, dann wirken sie wie eine matte Erinnerung an wilde Nächte. Andere Tracks wie das kindlich synkopierte „I Love, Love, Love, Love It“ erscheinen wie eine Karikatur auf die Kraft eines stringenten Rhythmus.
Natürlich haben Throbbing Gristle einen vergleichbaren Ansatz bereits vor Jahrzehnten verfolgt, aber trotzdem kann man sagen: Mit diesem Album verlässt die elektronische Musik endgültig den Tanzboden und tritt ein in den Kosmos der E-Musik. Denn auch wenn Jelinek, Pekler und Leichtmann ihre Klanglandschaften nicht auf Notenblättern notiert haben, orientieren sie sich doch längst eher an den Errungenschaften moderner Kompositionslehre als an den Erfordernissen einer durchfeierten Nacht.
Dass man mit einer ähnlichen Methode zu gänzlich anderen Ergebnissen kommen kann, beweisen R.B.C. mit ihrem selbstbetitelten Debüt. Und das liegt nicht nur am völlig verschiedenen Instrumentarium: Denn zwar improvisieren auch Gitarrist Prince Robinson, Colin Bass am Bass (wirklich wahr) und Schlagzeuger Denis Clement gern und ausgiebig. Aber so bewusst, wie sie die Versatzstücke aus Rock, Blues und Funk verwenden, können sie sich nie allzu weit von ihren Vorgaben entfernen. Die besten ihrer Stücke allerdings verlassen konsequent die bekannten Songstrukturen und mäandern ohne festes Ziel, kaum noch im Zaum gehalten von der klassischen Rocktrio-Besetzung.
Die Folge ist ein virtuoser Progressive Rock, der nicht umsonst in der Coverversion eines Songs der Branchengrößen Camel gipfelt, aber dem schon vor drei Jahrzehnten einigermaßen tot gedudelten Genre auch nichts Neues mehr hinzufügen kann. Die drei von R.B.C., allesamt in ihrer Vergangenheit Studio-Musiker für prominente Auftraggeber, verwalten lange schon gültige Formen der populären Musik, das aber auf höchstem technischem Niveau. THOMAS WINKLER
■ Groupshow: „The Martyrdom of Groupshow“ (Scape/Indigo)
■ R.B.C.: „R.B.C.“ (Kartini Musik), Record Release 2. 7. im Privatclub
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