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Umzugsminister tritt zurück

Französischer Finanzminister Hervé Gaymard kündigt drei Monate nach seiner Amtseinführung seinen Rücktritt an. Anlass war die Affäre um seine Mietwohnung

PARIS taz ■ Presseerklärung Nummer 102 war die letzte. In ihr erläuterte Hervé Gaymard gestern, dass er von seinem Posten als Finanzminister zurücktritt. Er habe „Ungeschicktheiten“ und „ernsthafte Fehleinschätzungen“ begangen, begründete er seinen Rücktritt. Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin nahm die Entscheidung noch am Nachmittag an.

Drei Monate nach seinem Amtsantritt liegt damit die Zukunft hinter dem 44-jährigen UMP-Politiker. Enthüllungen über das 14.000-Euro-Appartement, das er in Paris auf Staatskosten angemietet hatte, und seine halb oder ganz unwahren Rechtfertigungsversuche nach jeder neuen Enthüllung haben ihn zu Fall gebracht. Jetzt wird in Paris über mögliche Nachfolger spekuliert. Als heißester Kandidat für das Finanzministerium gilt Haushaltsminister Jean-Francois Cope.

Gaymard selbst wird als „Umzugsminister“ in die Annalen der V. Republik eingehen. Von seiner Tätigkeit im Finanzministerium werden Sätze wie dieser in Erinnerung bleiben: „Man kann nicht über seine Verhältnisse leben.“ Gaymards Politikerkarriere begann Anfang der 90er-Jahre, beim Regierungswechsel 2002 wurde er an die Spitze des Agrarministeriums berufen. Ende 2004 machte Staatspräsident Chirac ihn zum Nachfolger von Nicolas Sarkozy. Zu jenem Zeitpunkt galt Gaymard noch als Inbegriff des ehrlichen und basisnahen Politikers.

Gaymard stammt als Schuhmachersohn aus kleinen Verhältnissen. Doch ist ihm im Laufe seiner Karriere offensichtlich der Realitätssinn abhanden gekommen. Als Finanzminister, der seinen Landsleuten das Sparen predigte, griff er für die eigene Unterkunft tief in die Staatskasse: Nicht nur für die Mietkosten, sondern auch zum 30.000 Euro teuren Umbau der Maisonettewohnung. Nach dem ersten Bericht des Satireblattes Canard Enchaîné über die Affäre, verließ Gaymard plus Gattin und acht Kindern die Wohnung. Doch bevor er anbot, die Kosten an den Staat zurückzuerstatten, waren weitere Enthüllungen nötig. Gestern veröffentlichte Libération, dass Gaymard nicht nur eine große Eigentumswohnung in Paris besitzt, sondern außerdem noch vier weitere Immobilien in der Provinz. DOROTHEA HAHN

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