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Wohnzimmer weltweit

Urlaubsbilder aus der Digitalkamera sehen zu Hause nicht gut aus. Aber jetzt kann man sie im Internet speichern

Ein Leser der letzten Woche, der keine Schwierigkeiten hat, seinen PC zu bedienen, möchte sich trotzdem nicht von den anderen Geräten verabschieden, mit denen er im Wohnzimmer Musik hört und Filme anschaut. Er hat vollkommen Recht. Ein PC kann zwar alles, aber wie einst bei Radio Eriwan: nur im Prinzip. Es liegt an der Hardware, für gute Musik schließe ich auch meinen Saba, das alte Röhrenradio, an den PC an.

Die CeBit, die ab Donnerstag in Hannover bevorsteht, ist nun aber keine Messe für gute Musik, sondern für gute Computer. Die Trendforscher sagen, dass sie ins Wohnzimmer einziehen werden, ob uns das gefällt oder nicht. Axel Jahn, Chef der Firma Webzoom, gefällt das sehr gut. Wörtlich sagt er in der Einladung zu seinem Stand, dass er endlich das „Internet in das Wohnzimmer“ holen werde. Wahrscheinlich ist es dort nicht ganz zu vermeiden – für die Fernsehprogrammvorschau ist es hervorragend geeignet. Aber eigentlich ist es ja weltweit, nicht familiär. Vor lauter Begeisterung über seine Geschäftsidee hat Axel Jahn darüber nicht weiter nachgedacht. Er sagt, dass mit seinem Webzoom nunmehr das „weltweit größte Online-Fotoportal“ für Privatleute entsteht. Du und ich, meint er, können (kostenlos) unsere privaten Fotos auf seinem Server speichern und dann weltweit im eigenen Wohnzimmer anschauen. Wollen wir das?

Wahrscheinlich nicht, aber Axel Jahn hat trotzdem Recht, wenn auch nur eriwanmäßig im Prinzip. Er hat nämlich festgestellt, dass die meisten Leute mit ihrer wunderbaren neuen Digitalkamera nicht richtig glücklich werden. Sie wollten ja eigentlich keine Webkunst oder Computergrafik produzieren, sondern Urlaubsbilder schießen. Aber die gibt es jetzt nicht mehr, stattdessen ein paar Megabyte binären Code. Für die mindestens 3 Millionen Pixel pro Bild ist jeder normale Computerbildschirm viel zu klein, der Drucker leert die Patronen wie ein Quartalssäufer seine Sixpacks und wenn man das Ergebnis (das plötzlich doch nicht mehr so wenig gekostet hat) neben die alten Knipsbilder legt, ist es zum Weinen. Die digitalen Geräte, die auch nur annähernd die Qualität eines fotochemisch erzeugten Bildes erreichen, sind für Laien weder erschwinglich noch sinnvoll. Und ins Wohnzimmer gehören sie schon gar nicht, denn es sind Arbeitsmaschinen für Profis.

Weil aber nur eine Minderheit viel von der Sache versteht, rechnet sich Axel Jahn ein gutes Geschäft aus. Da der Trend zum PC im Wohnzimmer unaufhaltsam ist, kann der Fotodrucker schon bald kalt bleiben. Die Urlaubsbilder kommen von Jahns Server auf den Großbildschirm des familiären Universaldecoders (der einmal ein PC war). Genauso sieht das auch aus, was heute schon bei Webzoom davon zu sehen ist: wie Nachbars Dia-Abend. Man hält sich am Bier fest und möchte so schnell wie möglich wieder nach Hause – ins eigene Wohnzimmer.NIKLAUS HABLÜTZEL

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