: Eine Marketingmaßnahme
Wie kam es zur Biennale von Venedig? Susanna Partsch beantwortet diese und andere Fragen in ihrem Ratgeber-Buch „Die 101 wichtigsten Fragen. Moderne Kunst“
Die Frage könnte aktuell werden, denn heuer findet sie wieder statt: die Biennale von Venedig. Wie aber entstand die Biennale? Die Antwort auf diese Frage, eine der „101 wichtigsten Fragen. Moderne Kunst“ liefert Susanna Partsch in ihrem schmalen Büchlein gleichen Titels. Ihre Entstehung verdankt sie – und das wundert nicht, selbst wenn das Gründungsdatum 1895 lautete – einer Marketingmaßnahme. Es galt die Giardini Pubblici in der Nähe des Arsenal, weitab vom historischen Stadtzentrum, besser ins Bewusstsein der Touristen zu rücken. Zu diesem Zweck wurde in ihnen ein Pavillon errichtet, in dem alle zwei Jahre eine internationale Kunstausstellung stattfinden sollte.
Was nun die Entstehungsgeschichte des schmalen Büchleins angeht, darf Gleiches vermutet werden. Die 101 wichtigsten Fragen, das kann nur eine Marketingidee sein. Wer außer Fachleuten dieses Metiers wüsste schon, dass sich die wichtigsten Frage zu moderner Kunst ausgerechnet zu der blöden Zahl 101 addieren? Doch vom Erfolg des Konzepts kann man wohl ausgehen. Ein paar der Fragen sind, wenn auch nicht wichtigst, so doch interessant, etwa: „Welche Ausstellungen zeitgenössischer Werke bildender Kunst in Deutschland waren wegweisend für die Moderne?“ Auf die Antwort sollte man sich freilich nicht verlassen. Sie ist vage für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg; und warum in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg die Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ unbedingt von Mannheim nach Karlsruhe verlegt werden musste, bleibt ein Geheimnis der Autorin beziehungsweise des schlechten Lektorats.
„Malte Wassily Kandinsky das erste abstrakte Bild?“ Wen das interessiert, erfährt: Ja, das tat er. Allerdings war er sich selbst nicht so sicher, in welchem Jahr und um welches Gemälde es sich dann handelte. Gut, dass wenigstens die Autorin weiß, es war die „Komposition VII“ aus dem Jahr 1913. Und schließlich erfahren wir noch, die theoretischen Vorarbeiten zur Abstraktion „wurden vor allem von Frauen geleistet“. Punkt. Da wüsste man doch gerne mehr. Einen Verweis, dass die Sache tatsächlich noch zur Sprache kommt, gibt es nicht. Wer freilich die 85. Frage findet: „Hatten bei der Entwicklung zur Gegenstandslosigkeit auch Frauen einen Anteil?“, der erhält immerhin eine Hand voll Namen von Künstlerinnen, die im russischen Kubofuturismus mitmischten.
Die 102te Frage muss die nach der für das Betrachten moderner Kunst so konstitutiven weißen Wand gewesen sein – denn sie fehlt. Mit dieser Frage wäre man wieder bei der Biennale von Venedig, wo 1910 der Ausstellungsraum von Gustav Klimt mit weißen Wänden und einer einreihigen Hängung auf Oberkante internationale Aufmerksamkeit erregte. Dies erfährt, wer im Buch „Weiß“ nachschlägt, das der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich herausgegeben hat. Das größte Verdienst von Susanna Parschs Buch könnte also darin liegen, den Leser anzuregen, sich in der kunstwissenschaftlichen Literatur kundig zu machen.
BRIGITTE WERNEBURG
Susanna Partsch, „Die 101 wichtigsten Fragen. Moderne Kunst.“ Verlag C. H. Beck, München 2005, 160 S., 9,90 €
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