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Tanz das Krankenhaus

Kennst du mich? Etwa nicht? Oder müsste ich dich etwa kennen? Im Sage Club konnte man prima Gutes tun und dabei komische Prominente und Pseudostars beobachten. Sämtliche Erlöse gingen dann ans Sage Hospital im Senegal

Seit meinem Zivildienst in einer Bremer Lungenklinik liebe ich Krankenhäuser, allein schon wegen der Krankenschwestern. Es sollte überall auf der Welt Krankenhäuser geben! Auch in Afrika. Sogar in Gegenden, wo es keine so coole Clubszene wie in Berlin gibt, sollte es Krankenhäuser geben. Die heißen dann einfach Sage Hospital, statt zu tanzen wird operiert. Wie in der Nähe von Dakar im Senegal. In Warang, zwei Stunden entfernt, eröffnete vor drei Jahren ein Hospital, das man der Bevölkerung in Eigenverantwortung ohne Geldmittel überließ. Über die Hälfte der Senegalesen aber sind superarm.

Also überlegten sich zwei Flugbegleiterinnen und „junge Leute aus der Berliner Event-, Kommunikations- und Werbebranche“, das Hospital zu unterstützen. Das Personal wurde auf sieben Leute aufgestockt. Es entstanden eine Hebammenhaus und ein OP-Saal. Koordiniert werden die Arbeiten lustigerweise vom Chef des nahen Aldiana Touristenclubs. Auch zur Finanzierung überlegte man sich ein recht modernes Konzept. Ein gesponserter Kinospot lief in Programmkinos, eine Doku in der ARD und der dauerpräsente Ben Becker sprach einen Radiospot. Außerdem kreierte man eine Eventreihe unter dem Titel Brennpunkt Afrika. Beim ersten Tanz dieser Art 2003 mit Groß-DJs und Tresenkräften, die auf Gehalt verzichteten, nahm man gleich 16.000 Euro ein. Kann man mal sehen, wie man mit Disko Knete machen kann …

Bei diesmaligen Tanz fürs Krankenhaus merkte man gleich am Eingang, das hier nicht jeder durchblickte. „Was ist das denn?“, fragte der Türsteher, als er die Einladungskarte sah. Drin teilte sich die Welt in Normalos, die zu den Tanzfluren wanderten, und in die Celebrity-Abteilung. Kurz vorm Outdoorpool (der leider leer blieb) fotografierte man sich gegenseitig, und es ließ sich toll beobachten, wie Pseudostars diesen Breitmaulfroschblick zum Kameragrinsen einübten. Interessant die Blickdramaturgie. Kennst du mich? Etwa nicht? Oder müsste ich dich etwa kennen? Lustig, wie man hier taxiert wurde, als sähe man einem MTV-Produzenten ähnlich. Dann war da schon Andi von den Toten Hosen, der nachher auflegen sollte. Oder Sido von Aggro Berlin oder ein gewisses Deichkind, das ich leider nicht erkannte. Irgendwer von den Beatsteaks legte gerade schon auf, und wo war überhaupt die Sängerin von Mia?

In diesem Zelt fühlte man sich definitiv unwohl. Da kann das Krankenhaus noch so toll sein, deswegen lächle ich nicht mit Arschgesichtern um die Wette. Also auf zu den Normalos, die allerdings auch leicht verpeilt schienen. „Was habe ich gestern gemacht?“, fragte ein Mädchen einen Kerl. An den Wänden vermutete man zunächst Dias mit Zigaretten- oder Streichholzreklame, überall Plakate mit „Brennpunkt Afrika“ und einer Flamme drauf, die aussah wie von einem Schild für Waldbrandwarnstufen. Brennt es denn so oft in Afrika? Manche trugen auch ein hübsches T-Shirt mit einer Afrikakarte mit einem stilisierten Roten Kreuz. Dit is also der Charity Clash – Feiern für einen guten Zweck 2005. Super.

Und da sprach mich auch schon eine nette Frau von der Siegessäule an, ob ich der Charity-Beauftragte der taz sei, sie mache da demnächst eine Veranstaltung … Selten hat man sich bei einer Party dermaßen ambivalent gefühlt, aber auch so gutherzig. Hoffentlich muss man nicht bald mit Promis fürs Urbankrankenhaus tanzen. ANDREAS BECKER

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