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Doch kein gelbes Wunder

RADSPORT Lance Armstrong, der neu getunte Comebacker, spaltet bestens gelaunt seine Renngruppe und verfehlt nach dem Teamzeitfahren das Gelbe Trikot denkbar knapp

Lance Armstrong ist ein weltweiter Kommunikationszusammenhang geworden

AUS MONTPELLIER TOM MUSTROPH

Der alte Lance mischt die jungen Hüpfer auf. Und dennoch dürfte er sich geärgert haben. Nach dem Teamzeitfahren um Montpellier über 39 Kilometer, das sein Team Astana in erwartet überlegener Manier gewonnen hat, hätte er nur allzu gern in Gelb posiert. Ein paar Hundertstel Vorsprung hat Fabian Cancellara mit seinem Team Saxo-Bank ins Ziel gerettet und bleibt Leader. Der Lohn für die Leistung einer Astana-Mannschaft, die tags zuvor nicht gerade als Einheit aufgefallen war, blieb aus

Da hatte Armstrong einen wahren Coup gelandet. Als Einziger der Männer, die sich für die Gesamtwertung etwas vorgenommen haben, hatte sich der siebenfache Tourgewinner in jener ersten Hälfte des Feldes aufgehalten, die mit 40 Sekunden Vorsprung ins Ziel gestürmt war. Lance hatte sogar die Chuzpe besessen, selbst den Abstand zu den anderen zu vergrößern. Unter den anderen befand sich auch sein Kokapitän Alberto Contador. Der Eindruck, dass ein Teil des Teams für Contador arbeitet – in diesem Fall Klöden und Leipheimer –, der andere genau gegen ihn gerichtet tätig ist, bestätigte sich. Armstrong trieb seine Begleiter Zubeldia und Popowitsch dazu an, kräftig in die Pedale zu steigen. Der Ami war wieder die Nummer eins im Hause Astana.

„Kein Grund zur Panik“, wiegelte später Alain Gallopin aufkeimende Streitgerüchte ab. „Es wird keiner die Teller vom Tisch fegen“, meinte der Franzose, der bei Astana als sportlicher Leiter agiert. Das Team ist schwer beschäftigt, Fraktionsbildungen in der Mannschaft zu dementieren. Doch geschieht beinahe jeden Tag etwas, das deutsche Beobachter an die letzten Tage der Ära Beck in der SPD erinnert.

Alberto Contador scheint darunter zu leiden. Der ohnehin nicht sonderlich gesprächige Spanier wird noch stiller und schließt sich in seinem spanischen Umfeld – Journalisten/Fans inclusive – ein. Armstrong hingegen blüht auf. Seinen Streich am Montag erklärte er mit „einer Mischung aus Erfahrung, guter Position und Glück. Kurz vor dem Auseinanderreißen des Feldes war ich noch 20 Fahrer weiter zurück. Doch dann hatte ich den Impuls, nach vorn zu fahren.“ In alten Knochen steckt halt Erfahrungswissen.

Für Armstrongs langjährigen Wegbegleiter Wjatscheslaw Jekimow ist ohnehin klar, dass der Texaner bei dieser Tour eine große Rolle spielen wird. „Er hat die Erfahrung von sieben Toursiegen. Das ist einfach unbezahlbar. Er hat die gleichen Beine wie früher und den gleichen Willen“, sagt der Russe, der Armstrong bei fünf Toursiegen als Helfer zur Seite stand und jetzt sein Geld als Sportlicher Leiter bei Astana verdient. Jekimow sieht im Alterungsprozess sogar Vorteile. Zwar lasse die Reaktionsfähigkeit nach, doch die Widerstandsfähigkeit nehme zu. Auch Jekimow ist nicht entgangen, dass es den alten Lance nicht mehr gibt. Die neu getunte Comeback-Ausgabe lässt sich bei Trainingsfahrten filmen, macht mal ein Päuschen für Interviews und Scherze mit Begleitern, die auch nicht mehr unbedingt aus dem gleichen Team kommen müssen. Lance Armstrong ist ein weltweiter Kommunikationszusammenhang geworden. Jekimow findet dies gut: „Er ist jetzt transparenter.“

Hundertprozentig ist die Transparenz freilich nicht. Warum stimmt Armstrong nicht zu, seine alten Proben aus dem Jahre 1999, in denen laut L’Equipe-Recherchen etwas Epo stecken soll, nicht mit neuen Methoden zu analysieren? Der alte Fahrensmann Jekimow bleibt ganz gelassen. Er wittert Manipulation. „Manipulation ist, wenn man jemanden indirekt kritisieren will, weil man ihn nicht direkt angreifen kann. Wenn jemand einen Beweis sucht, dann soll er testen kommen.“ Wie man mit Tests umgeht, weiß man im Hause Astana. Da gibt es mal keine Differenz zwischen Contador und Armstrong, und wer auch immer sonst eine Fraktion bildet.

Als es im Frühjahr mal eng wurde für Armstrong, hat er eine Dopingkontrolle um 20 Minuten herausgezögert. Jean-Pierre Verdy, der Chefermittler der französischen Antidopingagentur AFLD, erklärte nun gegenüber der Tageszeitung L’Humanité: „20 Minuten reichen aus, um eine Infusion zu machen und die Spuren von Doping zu beseitigen. Das weiß jeder Arzt.“

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