FOTOGRAFENPROTEST, KAFFEEBRINGSERVICE, FRAUENHÄUSER: Kitchen-Work für alle und „Die Welt“ in alter Form
Liebe taz-Medienredaktion, momentan herrscht Feuerpause zwischen den Kontrahenten: den Medien-Kaufhäusern auf der einen, den Kämpfern für Qualität im Journalismus auf der anderen Seite.
Nur vereinzelt waren diese Woche Schüsse zu hören. So etwa, als rund 50 FotografInnen vor dem Jahreszeiten Verlag in Hamburg gegen die Knebelverträge des Hauses protestierten und ihre Bilder verschenkten. Natürlich nur die schlechten.
Zeit also, in die Stille hineinzuhören, das Gras wachsen zu hören und sich, Richard David Precht folgend, mal zu fragen, wer man denn eigentlich sei. Und vor allem, wie viele. Wir Freien sind ja ziemlich viele. Und was wir sind, ist auch klar: Wir sind nicht nur Gras-Hörer, wir sind eine Gras-Wurzel-Bewegung – der behäbigen Masse voraus. Deswegen praktizieren viele von uns schon seit Monaten tolle Sparmaßnahmen. Zum Beispiel die Büroputzfrau einsparen oder Büroklammern aufbiegen und als Haarnadeln verwenden. Dicke kommt es, wenn gleich das ganze Büro aufgegeben werden muss und man froh ist, die Klammern wenigstens noch irgendwohin stecken zu können, weil sie sonst in die Spalte des ausgezogenen Küchentischs rutschen würden.
Diesem Modell – „Kitchen-Work“ – sollen nun die MitarbeiterInnen des Spiegels folgen. Um – Graswurzel, Graswurzel – ganz nah am Kaffee zu sein. Oder am Tee. Oder sonst welchen Aufgüssen. Denn 40 Jahre (= 20 nach seiner Etablierung) wurde mit den „Kaffeewagen“ der traditionsreiche Kaffeebringservice für die Redakteurinnen und Redakteure gestrichen. Nicht weil die sich wegen Verfettung mal mehr bewegen sollten, sondern damit der Laden Penunzen spart. Keine Bedienung mehr am Tisch. Nicht einmal in der ersten Klasse.
Von der Deutschen Bahn lernen heißt Englisch lernen, haben sich die Herren rund um Springers Die Welt gedacht und wollen ab dem kommenden Jahr ihr Blatt so herausbringen, dass auch die Queen es lesen kann. Das ist gut so, denn dann kann sie gleich mal einen Einblick bekommen, wie es hier zugeht und warum Frauenhäuser als „Horte des Männerhasses“ abgeschafft werden müssen: „Frauenhäuser verschärfen Scheidungskonflikte, statt sie beherrschbar zu machen“, behauptet Gerhard Amendt bei Welt Online. Zur „professionellen Intervention sind Frauenhäuser aufgrund ihrer Ideologie vom Mann als Feind aller Frauen nicht fähig“. Außerdem setzen sie „die Sprachzerstörung in der Partnerschaft … fort.“ Und, und, und. Das hat der Soziologieprofessor herausgefunden und kann mit seinen einseitigen Ausführungen Die Welt zu deren alter, reaktionärer Form zurückführen. Kein Wort über die Schutzfunktion der Einrichtung. Nur darüber, dass auch Frauen schlagen, „sogar geringfügig häufiger“, und Männer kein Haus haben.
Bleibt zu hoffen, dass auch die Online-Ausgabe auf Englisch erscheint, damit Elisabeth den richtigen Button drückt, wenn Welt Online seine Leser abstimmen lässt: „Sollen Frauenhäuser abgeschafft werden?“
Das führt zur abschließenden Frage: Soll Kuno Haberbusch abgeschafft werden? „Nein!“, schallt es aus den Gräben der Zappanesen und Medienkämpfer. Haberbusch verlässt „Zapp“ dennoch. Schade.
Damit zurück nach Berlin.
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