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gottschalk sagtWir kölschen Trümmerfrauen

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Also, wenn ich mich recht erinnere, war ich 1945 Trümmerfrau. Es muss einfach so gewesen sein: Wir waren damals alle Trümmerfrauen. Und gerade wir kölschen Trümmerfrauen haben uns die Laune nicht verderben lassen. Die Männer waren ja alle weg, da haben wir in die Hände gespuckt und erstmal den Herkulesberg gebaut, damit die Pänz im Winter rodeln konnten. Und dabei sangen wir „Schöppe, schöppe es jetzt Trump“ oder „Mer maachen hück en Hamsterfahrt“. An diese schönen Lieder aus schwieriger Zeit werden im Mai die „Bläck Föös“ in der Zeitrevue „Usjebomb“ erinnern. Mit dabei King Size Dick, dem die Amerikaner wohl seinen Künstlernamen verliehen und Hanns Schaefer, der den Briten seine Entnazifizierung verdanken dürfte.

Die Dresdener sind natürlich die Oberstreber im diesjährigen Gedenkwettbewerb, was zum Teil auch an den Neonazis lag, die für einen klare gut/böse Trennung sorgten. Es geht ja darum, dieses trotzige, fußstampfende „wir-haben-aber-auch-gelitten-nicht-nur-die“ etwas zu kanalisieren, das haben sie da ganz gut hingekriegt, ob einem das ganze Kerzengedöns nun gefällt oder nicht. Schunkelgedenken aber ist eine originäre Erfindung der Kölner. Vorletztes Jahr beim Gedenken an die ermordeten Edelweißpiraten in Ehrenfeld wurde ja schon mal geübt, auch mit den Bläck Föös natürlich. Im Gürzenich jetzt, das wird ein Gedenken auf echte kölsche Art.

„Wie der Kölner halt so ist“, schreibt der Stadtanzeiger in seiner Ankündigung für die Veranstaltung, „ging er emsig ans Werk.“ Beim Wiederaufbau. Der Kölner? Emsig? Soll hier etwa der liebenswerte Mythos vom faulen Kölner durch einen doofen Mythos verdrängt werden? Und habe ich als Trümmerfrau da nicht ein Wörtchen mit zu reden?

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