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Alte Freude

Ex-„Coupé“-Chefredakteur Jens Eichler hat die im Juni 2004 eingestellte Frauenzeitschrift „Allegra“ wiederbelebt. Die alten Star-Autorinnen schreiben vorerst lieber unter Pseudonym

VON SILKE BURMESTER

Es ist ein spätes Kompliment für den jetzigen Chefredakteur des Stern, Andreas Petzold: Die Allegra soll wieder erscheinen, „so, wie sie früher war“. 1995 hatte Petzold beim Axel Springer Verlag eine Frauenzeitschrift auf den Markt gebracht, die ihre Leserin mit einem ungewöhnlichen Konzept abholte: wenig Konsum, keine Küche, keine Kinder, keine putzige Osterbastelei. Dafür bot Allegra interessante Menschen mit interessanten Blickwinkeln zu beiden Seiten des Notizblocks. Den eigenwilligen Artikeln von Sybille Berg, Marc Fischer oder Simone Buchholz wurde eine neue Bildästhetik gegenübergestellt. Schnell bohrte sich die Springer-Dame in das Herz einer anspruchsvollen, stilorientierten und eine warme Coolness lebenden Leserschaft. Diesen Geist will Jens Eichler erneut beschwören.

Der 42-Jährige hat dem Springer Verlag die Namensrechte zu einem „verdammt realen“ Preis abgekauft und lässt seit August 2004 an seinem Vorhaben basteln. Nacht für Nacht hat er sich durch die Zeitschriftenstöße des Monatsmagazins gearbeitet und manchmal ist es ihm fast zu viel geworden, „noch mal so’n Artikel“ zu lesen. Seine Vorstellung vom Blatt ist klar: die Allegra der 90er-Jahre sprachlich und inhaltlich in die Gegenwart zu transformieren. Die erste Ausgabe, die seit gestern im Handel ist, zeigt die für Frauenzeitschriften üblichen Meldungsseiten, etwas süßlich geratene Illustrationen, auch eine Wein- und Spargelkunde, vor allem aber den Willen zum groß angelegten, authentisch bebilderten Lesestück (siehe Kasten).

„Promis sollen die anderen machen“, sagt der Neuverleger – und wirbt „exklusiv“ mit den Schauspielern Jürgen Vogel und Topher Grace auf der Titelseite. Eichler schwärmt von einem Heft, das gelesen wird statt geblättert. Seiner Überzeugung nach verkauft sich „nichts anderes als Qualität“. Diese zu gewährleisten ist er bemüht, die sehr guten und inzwischen vielfältig etablierten Autorinnen der Allegra-Anfangstage zu gewinnen. Diese zeigen sich skeptisch. Etliche sind dabei, vorerst jedoch unter Pseudonym.

Die Skepsis kommt wenig überraschend. Der „letzte Volontär“ der Bild-Zeitung hatte sich als Chefredakteur der billigen Sexpostillen Coupé und Blitz Illu einen Namen gemacht. Wie kaum ein anderer Magazinmacher sammelte er Rügen durch den Presserat für Geschichten wie etwa „Erste Hilfe 1x1“ zu Gliedmaßenamputation und Knochenbruch für jedermann oder wegen Vorverurteilung wie in dem Artikel „Der Hausmeister, der ein Sexgangster ist“. Nun hat der Jesuitenschüler die Seiten gewechselt und will vor allem eines: ein Projekt anschieben, Arbeitsplätze schaffen und zeigen, dass etwas geht, jenseits der Medienjammerei.

Das Geld dafür hat er in der „freien Wirtschaft“ zusammengesammelt, die Kosten hält er so gering wie möglich. Noch gibt es keine eigenen Büroräume, die sechs Festangestellten haben in zwei Agenturen Platz gefunden. Ein Redaktionsleiter, Bildredakteur und Redaktionsassistentin, Anzeigenvertreter und zwei Grafikerinnen. Die Inhalte liefern Freie. 180.000 Euro kostet die Erstellung eines Heftes, bei 81.000 Exemplaren liegt der Break-Even-Point. Sein Traum sind die knapp 250.000 verkauften Hefte, die Allegra zuletzt aufweisen konnte, 150.000 bis 200.000 sein „unternehmerischer Ehrgeiz“. „Ich habe mir schon lange einen eigenen Verlag gewünscht“, sagt der Journalist, der bei 164 Seiten Heftumfang nur ein mageres Siebtel mit Anzeigen bestücken konnte.

Sollte die Transformation des eigenwilligen Titels aus den 90ern in die Jetztzeit gelingen, es neben den von Glamour abgestumpften Leserinnen noch eine andere Käuferinnenschicht geben sowie mehr als 20 Anzeigenkunden, könnte Jens Eichlers Wunsch langfristig in Erfüllung gehen. Vielleicht aber sollte der Mann, dessen Hemdtasche Mickymaus und dessen Knöchel Bärchen zieren, sich noch einmal mit Andreas Petzold beraten. So rein stilmäßig.

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