JOBGIPFEL WIRD KEINE JOBS SCHAFFEN. DAS IST SCHÖN FÜR DIE FIRMEN: Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel
Immerhin das machte Kanzler Schröder deutlich, als er sich gestern zum Jobgipfel mit den Unionsführern traf: Der Sozialstaat steht nicht total zur Disposition. Schon in seiner Regierungserklärung hatte Schröder ein klares Bekenntnis zur Solidarität abgegeben. Das klang sehr anders als am Dienstag bei Bundespräsident Köhler, der sofort in seinen ersten Sätzen festhielt, dass den Bürgern allzu viele „Wohltaten“ gewährt worden seien.
Regierungserklärung und Jobgipfel fanden zu einem historischen Zeitpunkt statt: Vor fast genau zwei Jahren hat Schröder seine Agenda 2010 verkündet. Inzwischen ist wohl auch ihm deutlich, dass er schon heute gescheitert ist. Bemerkenswert, dass sich Schröder dennoch gegen weiteren Aktionismus entschieden hat. Manche Korrekturen und recht vage Ankündigungen, mehr nicht.
Größte Verlautbarung vom Jobgipfel: Die Körperschaftsteuer soll von 25 auf 19 Prozent gesenkt werden – aber „aufkommensneutral“. Im Gegenzug sollen die Steuerschlupflöcher für Firmen gestopft werden. Dieses Projekt stimmt sofort misstrauisch. Auch die letzten Steuerreformen sollten teilweise gegenfinanziert werden, indem Subventionen gestrichen wurden. Das aber ging gründlich schief, am Ende wurden vor allem Schulden aufgenommen. Zudem ist die Analyse fraglich: Faktisch zahlen die Großunternehmen schon jetzt nur 11,4 Prozent Steuern auf ihre Gewinne. Wenn dennoch keine Arbeitsplätze entstehen, dann kann es offensichtlich nicht an der Steuerbelastung liegen.
Die Arbeitslosigkeit wird bleiben, ja steigen. Genauso wie der Druck der Opposition, der Arbeitgeber und des Bundespräsidenten, den Sozialstaat abzubauen. Es ist zweifelhaft, ob Schröder diesem Ansturm widerstehen kann. Sein Bekenntnis zur Solidarität ist zwar sehr tröstlich – doch leider fehlt ihm ein Konzept.
Daher ist auch nicht anzunehmen, dass dies die letzte Regierungserklärung oder der einzige Jobgipfel bleibt bis zur Bundestagswahl. Kündigungsschutz, Flächentarifvertrag, die paritätische Finanzierung der Sozialversicherungen, Antidiskriminierungsgesetz – das alles wird immer wieder zum Thema werden. Die Unternehmer können sich freuen. ULRIKE HERRMANN
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