KRUMME LANKE: Reimt sich auf Banke
Strahlend blauer Himmel, für den Berliner Sommer dieses Jahr etwas Ungewöhnliches, sage ich zu Néstor, meinem Freund aus Buenos Aires. Wir sollten die Bars und Boulevards im Zentrum der Stadt mal hintenanstellen. Néstor besteht dennoch auf einer Stippvisite in der Joseph-Roth-Diele. Ja, aber, sage ich, an Wochenenden ist der Laden – so schön eingerichtet er auch ist mit den Fotoraritäten und Faksimilebriefen –, an Wochenenden ist der Laden zu.
Néstor sagt dann: Okay, aber Müggelsee und Wannsee seien ihm zu touristisch. Bei Krumme Lanke sagt er: Da war ich schon mal, vor 20 Jahren! Fahren wir dahin, um zu sehen, ob es immer noch so ist wie damals!
Wir sitzen in der U3 Richtung Südwesten. Das Abteil glänzt graffitischwanger und angenehm leer. Néstor summt ein Lied aus den Zwanzigern. Der Refrain – „Ich setzte mich auf jene Banke“ – reimt sich auf Krumme Lanke. Dann Fischerhüttenweg, vorbei am Haus Leopold, an dem Néstor anhält und sich einen Sommeraufenthalt zum Schreiben eines Romans vorstellt.
Wir setzen durch die Waldschneise. Vor uns das schmale gebogene Wildwasser, der Rettungsring und ein Schild: Betreten auf eigene Gefahr. Hier habe ich, sagt Néstor, vor 20 Jahren, es war ein kalter Winter, den Fuß aufs Eis gesetzt und trotzte der öffentlichen Warnung. Aber, räumt er ein, es sei nur das Spielbein gewesen, das Gewicht habe auf dem anderen, das auf Grund stand, gelastet.
Wir blicken auf die Perlhühner, die auf der Krummen Lanke dümpeln. Dann umrunden wir den Zungenbeckensee – Relikt der Eiszeit, wie ich in Spanisch radebreche, und landen in einem Ausflugslokal mitten im Wald. Es gab weder die Gemüsemaultauschen, die Néstor bestellen wollte, noch den alkoholfreien Sekt. Wir begnügten uns mit Ziegenkäsehemisphären auf Rukkolabeet und der schlechten Laune der Kellnerin. TIMO BERGER
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