piwik no script img

Stadt ohne Bürgermeister

Karstadt dementiert nicht, dass der Firmenchef gehen soll

KarstadtQuelle-Sprecher Jörg Howe ist eigentlich ein kommunikationsfreudiger Konzern-Verlautbarer. Der bekennende „Fernsehfuzzi“ und „Newsjunkie“ war einmal Sat-1-Chefredakteur und weicht selten einem Mikrofon aus. Gestern vormittag allerdings war Howes Mobiltelefon ausgeschaltet. Auch in der Essener Firmenzentrale war er nicht zu sprechen. Keine Kommunikation. Kein Dementi. Das war dann irgendwie auch ein Statement. Zeitungen hatten zuvor berichtet, dass Vorstandschef Christoph Achenbach gehen soll. Nachfolger stünden bereit, hieß es. Bekommt die Karstadt also einen neuen Bürgermeister?

Der 46-jährige Münsteraner Achenbach begann seine Karriere 1989 bei Quelle in Fürth, zuständig für strategische Planung. Nach mehreren Stationen in dem Versandhandelshaus stieg der Betriebswirt 1997 in den Vorstand von Quelle auf und übernahm im März 2001 den Vorsitz. Bei der Konzernholding KarstadtQuelle AG wurde er im Mai 2001 in den Vorstand berufen. Als sich die Konzernkrise im Frühjahr 2004 verschärfte, trudelte der Chefposten gewissermaßen auf Achenbach zu.

Im Sommer vergangenen Jahres wurde Achenbach so als dritter Konzernchef innerhalb von nur vier Jahren ins Rennen geschickt. Als Karstadt-Sparkommissar sorgte er zunächst für öffentliches Aufsehen und hoch gesteckte Erwartungen bei Banken und Anteilseignern. Doch rasch gab es Probleme. Die Kooperation mit den Gläubigern gestaltete sich schwierig, wichtige Punkte aus dem angekündigten Verkaufsprogramm wie die Trennung von Fachhandelsketten und zahlreichen kleinen Filialen stünden noch aus, so die Kritik. Offen ist zudem der Ausgang des Entschädigungsstreits mit den Erben der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim um Grundstücke im Zentrum Berlins. Achenbach geriet zusehends unter Druck, Aktionärsschützer bezeichneten ihn als „Vorstandsvorsitzenden auf Abruf“ – Karstadt-Sprecher Howe dementierte zunächst tapfer alles Negative für den Konzern. Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff nahm den Chef-Manager in Schutz – so wie sich ein Fußballclub-Präsident vor einen Trainer stellt, der kurz vor der Ablösung steht.

Laut Agenturberichten sagten Aufsichtsratsmitglieder, der Fall werde anders als vorgesehen doch Thema in der heutigen Aufsichtsratssitzung sein. Andere Mitglieder des Gremiums halten sich dagegen an die Kommunikationsstrategie von Karstadt-Sprecher Jörg Howe. Ein Aufsichtsrat sagte gestern dreimal zur taz: „Ich kann Ihnen nicht sagen, ob Achenbach bleibt.“

MARTIN TEIGELER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen