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Deutsch-Türken im Stimmungstief

Bis 2002 blickten türkische Migranten optimistisch in die Zukunft. Heute aber bangt jeder Zweite um seinen Job

BERLIN taz ■ Die Stimmung ist schlecht unter Deutschlands Türken. Jeder Zweite fürchtet um seinen Job, acht von zehn meinen: Der Wirtschaft geht es miserabel. Nach Jahren der Zuversicht plagt türkischstämmige Migranten nun massiv die Zukunftsangst, fand jetzt das Essener Zentrum für Türkeistudien heraus. Ein Trend, der mehr ist als ein Auswuchs von Hartz IV: Schon im Jahr 2002 kippte die Stimmung – und verharrt seither im Dauertief.

Bis 2001 noch erhellte sich die Gemütslage kontinuierlich, vorsichtiger Optimismus breitete sich aus: Dass Deutschland gerade den Kindern und Enkeln bessere Bildung und gute Jobs biete, dass ein Leben in Wohlstand erreichbar sei. 2002 aber geschah, was die gestern präsentierte Studie einen „massive Stimmungsumschwung“ nennt. Zunächst fanden 66 Prozent, inzwischen sogar über 80 Prozent der Befragten: Die wirtschaftliche Situation im Land ist schlecht. Nur drei von hundert wollen ihr derzeit das Prädikat „gut“ zubilligen. Die junge Generation ist noch skeptischer. Fürchtete 1999 erst jeder dritte um seinen Job, so bangt derzeit jeder zweite erwerbstätige Deutsch-Türke, künftig ohne Lohn und Brot dazustehen.

Als einen Grund für so viel Pessimismus nennt die Studie die allgegenwärtige Geldnot. Jeder dritte Türke lebt in Armut. Ein weiteres Drittel hält sich knapp über dieser Schwelle. Die Forscher erwarten einen weiteren Armutsschub, wenn jetzt die erste Gastarbeitergeneration – die als junge Männer in den Sechzigern und Siebzigern zugezogen ist – in Rente geht.

Doch auch unter der deutsch-türkischen Jugend grassiert die Jobnot. Wenigen geht es besser als den Vätern, jeder zweite erwerbstätige Türke verdient sein Geld als an- oder ungelernter Arbeiter. Nur jeder Fünfte ist Angestellter. Mit prekären Folgen für die Zukunft junger Türken: Gerade die gering qualifizierten Arbeiterjobs hat der Strukturwandel dahingerafft, das Schwinden der Kohle- und Stahlindustrie hat besonders Türken getroffen. Sie sind sogar noch häufiger arbeitslos als andere Migranten – und weit öfter als der Durchschnittsdeutsche.

Ein einheitliches Szenario der Depression konnten die Forscher allerdings doch nicht feststellen. So dramatisch, wie sie die Gesamtlage beurteilen, finden Türken ihr eigenes Leben nicht. Immerhin sieben von zehn Befragten bezeichnen ihre Lage als mäßig bis gut. In diesem Punkt folgen also auch Migrantenfamilien einem Trend, den die Wissenschaft bereits aus gesamtdeutschen Studien kennt: Die Zukunftsangst ist weit ausgeprägter, als es das persönliche Schicksal der Menschen nahe legt.

Überdies ist nicht alles schlechter geworden in deutsch-türkischen Familien, fand die Studie des Zentrums für Türkeistudien heraus. So sehr die Menschen auch die Sorge um Job und Geldbeutel plagt – im Privaten sind sie durchaus glücklich. Fast sieben von zehn sind zufrieden mit Familie und Freunden, mit Haus und Heim.

COSIMA SCHMITT

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